Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
war nur ein paar Tagesritte an der Donau entlang von Wien entfernt. Kein christliches Heer hatte den Vormarsch der Mongolen bisher auch nur verlangsamt, geschweige denn aufgehalten. Jetzt war er ein Dolch, der über dem Herzen Europas schwebte; ein Weltreich schickte sich an, die kleinen, zankenden Staaten der Christenheit zu überwältigen.
Und dennoch versuchte Papst Innozenz IV., zu einer Einigung mit den Mongolen zu gelangen. Als Subotais Pferde schon östlich von Wien grasten, wurde Philip von Marseille mit einer Gruppe von Kirchenleuten und Rittern zum Hof von Ugedai geschickt, dem Sohn des Dschingis Khan.
Viele Christen hatten Beifall gespendet, als die Angriffe der Mongolen den weichen Bauch des Islam getroffen hatten. Es gab sogar hoffnungsvolle Gerüchte, dass einige der Mongolen Christen seien, Anhänger einer häretischen Sekte namens Nestorianer, die an einer obskuren These über die Trennung der göttlichen
und menschlichen Natur Jesu Christi festhielten. Und es gab eine beliebte Sage über eine Gestalt namens Priester Johannes – angeblich ein Nachkomme eines der Heiligen Drei Könige, die der Geburt Jesu Christi beigewohnt hatten –, den christlichen Herrscher eines riesigen Königreichs im Osten. Manche Ratgeber des Papstes hegten darum die Hoffnung, dass die Mongolen zu Verbündeten gegen den Islam werden konnten, den allergrößten Feind.
So kamen Philip und seine Gruppe in die seltsame Hauptstadt der Khans, tief in deren asiatischer Heimat. Es war eine »Stadt« der Nomaden, eine Stadt aus Zelten voller nutzloser Beutehaufen. Und doch fanden sie an diesem Ort Gesandte aus der gesamten bekannten Welt und auch aus noch unbekannten Regionen. Die von den Mongolen angerichteten Zerstörungen waren furchtbar, aber die erzwungene Einheit verband Reiche, die seit dem Altertum wenig Kenntnis voneinander gehabt hatten.
Philip stellte jedoch fest, dass Ugedai, ein schlauer, impulsiver Mann, der Unmengen von Alkohol in sich hineinschüttete, kein Christ war, kein Priester Johannes. Tatsächlich waren nur einige wenige Mongolen Nestorianer; die übrigen hingen einer Art primitivem Animismus an. Und außerdem führten die Mongolen nicht der Religion wegen Krieg, sondern um des reinen Eroberns willen. Für Ugedai war selbst der Papst nicht mehr als der schwache Führer eines Sammelsuriums kleiner Staaten, die zu gegebener Zeit erobert, unterworfen und angepasst werden würden, und damit
basta. Die Gesandtschaft des Papstes hatte keinen Erfolg.
Doch während sie als Gäste des Khans in der mongolischen Hauptstadt weilten, entdeckte ein Mitglied der päpstlichen Gesandtschaft, ein nervöser, aber intelligenter junger Mönch namens Bohemond, in seinem Gepäck ein »Amulett«, wie er es nannte. Er hatte keine Ahnung, wie es dorthin gelangt war.
»Philip untersuchte das Amulett schließlich selbst«, erzählte Thomas im Flüsterton. »Er hat es mir beschrieben. Es war eine verschlossene Schachtel von der Größe einer Männerhand, schmal und flach, und sie fühlte sich glatt an. Sie war hell, cremefarben, aber mit farbigen Markierungen an der Oberfläche. Sie bestand weder aus Holz noch aus Keramik oder Metall, sondern aus einem Material, das niemand identifizieren konnte. Die Christen, die in ihrem Mongolenzelt beieinanderhockten, untersuchten dieses Ding und stellten fest, dass sie es mit einem Messer nicht einmal ritzen konnten und dass es auch dem Feuer unversehrt standhielt.«
Bohemond selbst fand jedoch heraus, dass die Schachtel mit ihm sprach , wenn er auf eine bestimmte Markierung auf dem Deckel drückte, einen grünen Pfeil – in gutem, wenn auch gestelztem Latein, mit winziger Insektenstimme. Die Legaten waren verblüfft, erschrocken, fasziniert. Nach vielen Gebeten und dem Gebrauch eines Großteils ihres kostbaren Weihwasservorrats versammelten sie sich um die Schachtel, um zu hören, was der Kobold darin zu sagen hatte.
Der Kobold sprach eindeutig von der Zukunft: vom nächsten Tag und von den kommenden Jahren.
Was den nächsten Tag betraf, so beschrieb er in allen Einzelheiten Ugedais Tagesablauf: die Stunde, wann er aufstehen, das Frühstück, das er einnehmen, die Räte, Gesandten und Feldherrn, die er treffen, die Briefe, die er diktieren und sich vorlesen lassen, die Gattin, bei der er liegen würde – und den Becher Stutenmilch, versetzt mit chinesischem Reiswein, den er mittags gern trank.
Von diesem Becher Stutenmilch mit Wein, sagte der Kobold mit seiner winzigen Stimme, hinge
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