Die Zeitfalte
aufzunehmen, wie mich.«
»Ja, das hat er tatsächlich!« rief Meg. »Er hat dich in sich aufgenommen. Du mußt doch spüren, daß du nicht mehr du selbst bist. Nie im Leben hast du mich deine geliebte Schwester genannt!«
Calvin wandte sich an den Mann im Thronsessel, ohne ihn jedoch direkt anzublicken. »In Ordnung. Sagen Sie Ihren Henkersknechten, daß sie uns loslassen sollen und hören Sie auf, durch Charles auf uns einzureden. Wir wissen ganz gut, daß in Wirklichkeit Sie mit seiner Stimme reden – oder wer immer aus Ihnen spricht. Zumindest haben Sie Charles hypnotisiert.«
»Das ist eine sehr primitive Umschreibung«, rügte der Mann mit den roten Augen, gab den Männern aber ein Zeichen. Ein kleiner Wink mit dem Finger, und Meg und Calvin waren frei.
»Besten Dank«, sagte Calvin trocken. »Na schön, wenn Sie sich wirklich als unseren Freund ausgeben, dann sagen Sie uns gefälligst endlich, wer oder was Sie sind.«
»Ihr braucht nicht zu erfahren, wer ich bin. Es genügt, wenn ihr wißt, daß ich als Oberster Koordinator wirke.«
»Aber aus Ihnen spricht doch jemand anderer; so, wie auch Charles nur noch als Sprachrohr dient. Hat man Sie auch hypnotisiert?«
»Ich sagte schon, daß dies eine höchst primitive Umschreibung ist. Sie entspricht nicht den wahren Zusammenhängen.«
»Werden Sie uns zu Herrn Murry bringen?«
»Nein. Es ist weder erforderlich, noch wäre es mir möglich, meinen Platz zu verlassen. Charles Wallace wird euch führen.«
»Charles Wallace?«
»Ja.«
»Wann?«
»Jetzt gleich.« Der Mann mit den roten Augen schnitt jene furchterregende Grimasse, die wohl ein Lächeln sein sollte. »Ja«, sagte die Stimme, »meinetwegen jetzt gleich.«
Charles Wallace bedeutete ihnen mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen, und setzte sich, wie eine Maschine, in langsame, gleitende Bewegung.
Calvin gehorchte dem Wink. Meg zögerte noch. Am liebsten hätte sie wieder Calvins Hand gefaßt; aber dann stopfte sie die Fäuste in die Taschen und schloß sich den beiden Jungen an.
Sie gingen durch einen langen, weißen und scheinbar endlosen Korridor.
Ohne sich nach ihnen umzublicken, ohne sich zu vergewissern, daß sie ihm folgten, schritt Charles Wallace mit ruckartigen Bewegungen voran.
Meg hatte Calvin indessen erreicht und hielt ihn zurück. »Cal!« sagte sie eindringlich, »hör zu! Frau Wasdenn hat dir doch gesagt, daß du die Gabe hast, mit allen Menschen reden zu können. Erinnere dich; das hat Sie dir auf den Weg mitgegeben. Wir haben bisher nur versucht, uns mit Charles herumzuschlagen, aber das hat nichts genützt. Solltest du nicht versuchen, mit Charles zu reden? Kannst du nicht versuchen, dich in ihn hineinzuversetzen?«
»Menschenskind, du hast recht!« Calvins Gesicht begann zu strahlen. »Ich war nur so völlig durcheinander. – Ob etwas dabei herauskommt; weiß ich nicht; aber ein Versuch kann nicht schaden.«
Sie beschleunigten ihre Schritte, bis sie mit Charles auf gleicher Höhe gingen. Calvin faßte ihn am Arm, aber Charles schüttelte ihn ab.
»Laß mich in Ruhe!« knurrte er.
»Ich will dir ja nicht weh tun, du Dummkopf!« sagte Calvin. »Im Gegenteil. Wollen wir uns wieder vertragen, hm?«
»Soll das heißen, daß du endlich nachgibst?« fragte Charles Wallace.
»Na klar! Wir sind doch nicht auf den Kopf gefallen. Charlylein, mein Lieber, schau mir doch bitte eine Sekunde lang in die Augen!«
Charles Wallace blieb stehen, wandte ihm langsam den Kopf zu und blickte ihn stumm und ausdruckslos an. Calvin erwiderte den Blick, und Meg konnte förmlich spüren, wie er versuchte, sich mit aller Kraft zu konzentrieren.
Charles wurde von einem gewaltigen Schauer durchgerüttelt. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte es in seinen Augen wie eine Erkenntnis auf; aber dann wurde sein Körper erneut wie von einem schrecklichen Krampf gepackt – und erstarrte.
Wie eine Marionette setzte Charles seinen Weg fort. »Das hätte ich mir gleich denken können«, sagte er. »Wenn ihr euren Murry sehen wollt, kommt ihr besser mit und versucht nicht noch einmal, solche dummen Spaße zu machen.«
»Euren Murry!« rief Calvin entrüstet. »Sprichst du so von deinem Vater?«
Meg sah, wie sehr es ihn erzürnte und zugleich deprimierte, daß ihm der Erfolg im letzten Augenblick versagt geblieben war.
»Vater?« wiederholte Charles Wallace monoton. »Was ist ein Vater? Schon wieder so ein Mißverständnis. Sehnt ihr euch nach einem Vater? ES wartet doch nur darauf, daß ihr zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher