Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
eines ostgotischen Grafen besser darstellen als der Sohn eines ostgotischen Grafen? Außerdem sprichst du, wie ich weiß, zumindest ein wenig Fränkisch. Du reist durch das Frankenreich, um die Stätten römischer Geschichte zu besuchen. Hätten wir einen brauchbaren Geheimdienst, wäre das sicher nicht nötig, aber so … Nein, ich habe keine Zweifel an deiner Eignung für diese Aufgabe. Ich habe seit vier Jahren Gelegenheit, dich Tag für Tag zu beobachten, ich kenne deine Fähigkeiten und Talente.«
Diese Worte aus dem Munde des Präfekten, der sonst so gut wie nie Lob äußerte, erfüllten Andreas mit Stolz.
Nicht genug, um die Angst zu verdrängen, aber ausreichend, um die außergewöhnliche Ehre schätzen zu können, die Marcellus ihm mit dieser wichtigen Mission erwies.
»Die Zeit drängt sehr, du wirst daher noch heute Mittag abreisen. Ich habe hier deine Instruktionen, lies sie dir gut durch. Und nun begib dich nach Hause und bereite dich auf die Reise vor.«
»Marcellus, wenn Ihr gestattet … ich würde mich vorher gerne von Claudia verabschieden.«
»Völlig ausgeschlossen. Nicht nur, dass du dafür keine Zeit hast, deine Aufgabe ist im Übrigen auch streng geheim.«
»Vergebt mir, aber Claudia ist meine Verlobte. Wenn ich völlig unangekündigt für mehrere Wochen verschwinde, wird sie sich große Sorgen machen, und das könnt Ihr Eurer Tochter unmöglich wünschen. Lasst mich ihr wenigstens sagen, dass Ihr mich überraschend mit einem Auftrag zu einem unserer Föderaten geschickt habt.«
Marcellus Sator schätzte es überhaupt nicht, wenn Dienst und Privatleben in Berührung kamen, darunter litt seiner Erfahrung nach stets die Effizienz der Arbeit. Aber die Vorstellung, seine Tochter vor Sorge um ihren Verlobten leiden zu sehen …
»Nun gut, Andreas, du scheinst recht zu haben. Du hast heute Mittag Gelegenheit, dich von Claudia zu verabschieden, ehe du losreitest. Ich werde dabei anwesend sein, damit du nicht versehentlich etwas Falsches sagst. Und nun mach dich auf den Weg, du hast nur wenige Stunden Zeit, um deine Vorbereitungen zu treffen!«
Andreas Sigurdius verneigte sich kurz vor seinem Vorgesetzten und verließ dann den Raum.
Der Präfekt blieb alleine zurück und sah gedankenverloren auf die große, aus zahllosen Mosaiksteinchen zusammengesetzte Landkarte. Karl der Große!, dachte er und verzog spöttisch den Mund. Könnte es etwas Lächerlicheres geben?
»Das kann nicht dein Ernst sein, Vater!«
Andreas war froh, dass sich Claudias Unmut nicht gegen ihn, den Überbringer der schlechten Nachricht, wandte. Sollte doch ihr Vater sehen, wie er sie wieder besänftigte, immerhin hatte er ihn ja auch zu dieser lebensgefährlichen Aufgabe verdammt.
»In drei Wochen soll unsere Hochzeit sein, und du schickst Andreas zu den Westgoten? Wie kannst du nur so rücksichtslos sein! Kein Vater würde das seiner Tochter antun …«
Sie wechselte ständig von Wutausbrüchen zu Tränen, und es bereitete Andreas stille Freude, dass Marcellus Sator seiner Tochter völlig hilflos gegenüberstand. Er konnte kaum glauben, dass das derselbe Mann war, dessen bloßer Blick die Beamten des Officiums das Fürchten lehren konnte, so verloren wirkte der Präfekt.
Claudias Attacken ließen langsam nach, als sie merkte, dass sie diesmal die Entscheidung ihres Vaters nicht ändern konnte. Andreas betrachtete sie, und wieder einmal fiel ihm auf, dass sie so ganz anders war als die Mädchen, die er vor ihr kannte. Selbst jetzt, wo ihre dunklen Augen vom Weinen gerötet waren, wirkte sie kein bisschen schwach oder schutzbedürftig.
Das schwarze Haar, das in bläulich schimmernden Wellen über ihre Schultern fiel, umgab ein Gesicht, dessen Schönheit gerade darin bestand, dass es nicht den glatten klassischen Idealen entsprach: Claudias Nase war ausgeprägt, ihr Kinn schien ihre Willenskraft widerzuspiegeln, und die vornehme Blässe römischer Damen konnte sie auch nicht vorweisen. Im Gegenteil, da sie seit ihrer Kindheit stundenlange Ausritte liebte, war ihre Haut so kräftig gefärbt wie die eines Bauernmädchens. Hätte sie nicht das grüne Seidenkleid und die goldenen Haarspangen getragen, hätte Andreas sie sich ohne Weiteres auf dem sizilianischen Landgut seines Onkels vorstellen können. Nur, dass es dort keine so schönen Frauen gab.
Unterdessen war Marcellus derartig mitgenommen von den Vorwürfen seiner Tochter, dass er ihr die prächtigste Hochzeit versprach, die Rom seit der Vermählung des
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