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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Gewehrkugel getroffen. Nur die Tatsache, dass bei Missionen in Krisenzeitzonen Kevlarkleidung Pflicht war, hatte ihn vor schlimmeren Folgen als einem schmerzhaften blauen Fleck bewahrt. Aber das gehörte zum Berufsrisiko eines Soldaten, ganz gleich, ob er nun seinen Dienst in der Gegenwart oder in der Vergangenheit verrichtete.
      
    Mittlerweile war es Nacht geworden, und man konnte die eigene Nasenspitze nicht mehr erkennen. Franklin riss sich von seinen Gedanken los und flüsterte dem neben ihm liegenden Andreas zu: »Dunkler wird es nicht mehr. Wir sollten uns auf den Weg machen.«
    »Viel Vergnügen«, sagte Andreas lakonisch. »Aber ohne mich. Mut ist eine Sache, Irrsinn eine andere. Ich traue denen zu, dass sie Fallen aufgestellt haben, in die wir blind hineintappen. Oder wir stürzen in den Graben, rennen gegen den Zaun, was auch immer. Alles kann passieren, wenn wir nichts sehen.«
    Andreas vernahm ein Geräusch, als ob Franklin etwas aus dem Rucksack auspackte. »Wer sagt, dass wir nichts sehen? Auf mich trifft das jedenfalls nicht zu … halt mal still.«
    Noch ehe Andreas fragen konnte, was er vorhatte, setzte ihm Franklin einen Stirnreif auf den Kopf und klappte etwas herunter, das sich wie das schwere Visier eines Reiterhelms vor seine Augen legte. Er musste einen Aufschrei unterdrücken, denn er sah plötzlich durch die Nacht.
    Zwar schimmerte alles in unwirklichen Grüntönen, wie man sie zuweilen bei Irrlichtern im Sumpf beobachten konnte; doch er erkannte klar und deutlich Franklins Gesicht, das von einer Art merkwürdiger Maske vor den Augen bedeckt wurde. Sicherlich handelte es sich dabei um den gleichen Gegenstand, durch den nun Andreas durch eine leichte Drehung des Kopfes die Wiese mit dem Palisadenzaun wahrnehmen konnte, fast als sei es Tag.
    »Und fang mir bloß nicht wieder an mit Zauberei und Magie«, sagte Franklin, noch ehe der völlig sprachlose Römer ein Wort herausbringen konnte. »Dieses Prachtstück von Nachtsichtgerät kostet den amerikanischen Steuerzahler vierzigtausend Dollar, also sei damit vorsichtig, verstanden?«
    Andreas nickte stumm. Er war aufgrund seiner Erfahrungen der vergangenen Tage inzwischen bereit, fast alles zu akzeptieren, was er zuvor für unmöglich gehalten hatte. Aber das Erstaunen darüber, dass er der für gegeben gehaltenen natürlichen Ordnung der Dinge trotzen konnte, blieb. Es war dem Menschen nicht bestimmt, im Dunkel zu sehen, diese Fähigkeit hatte Gott den Tieren der Nacht vorbehalten. Dass diese und viele andere scheinbar unabänderlichen, ewigen Wahrheiten in der Welt Franklins offenbar keine Gültigkeit mehr hatten, erschreckte Andreas ebenso sehr, wie es ihn faszinierte.
    Vorsichtig, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen, krochen die beiden Männer aus dem Gebüsch durch das hohe Gras, bis sie sich in einiger Entfernung vom Waldrand befanden. Rasch hatte Andreas sich an die grüne Färbung der Welt um ihn gewöhnt. Er konnte sehen, wie ein Trupp Soldaten hinter dem Zaun entlangmarschierte, und wollte sich noch tiefer ins Gras ducken, als ihm zu Bewusstsein kam, dass die Franken ja praktisch blind waren und nur ihre Richtung halten konnten, weil sie ihrem ausgetretenen Pfad folgten. Es war ein erhabenes Gefühl, alles wahrzunehmen und doch für andere unsichtbar zu bleiben.
    Als die Patrouille verschwunden war, stieß Franklin Andreas kurz an. Sie standen auf und gingen langsam auf die Palisade zu. Fallen mussten sie dabei nicht ausweichen, aber der Graben vor dem Zaun erwies sich trotz seiner geringen Tiefe als tückisch steil abfallend. Im Dunkeln wären sie zweifellos hineingestürzt, so aber konnten sie gezielt hinunterspringen und auf der anderen Seite bequem die Böschung hinaufsteigen.
    Sie schauten sich noch einmal um. Eine weitere Patrouille war nicht in Sicht, und die Soldaten auf den Wachtürmen zu beiden Seiten starrten in die lichtlose Nacht. Sie konnten sich daranmachen, den grob aus rohen Brettern gezimmerten Zaun zu überklettern. Das war recht einfach, da die Palisade kaum Brusthöhe hatte und wohl vorwiegend dem Zweck diente, eventuelle Eindringlinge aufzuhalten, bis die Bogenschützen sie von oben unter Beschuss nehmen konnten.
    Franklin hatte den Zaun zuerst überwunden, während Andreas sich etwas schwerer tat. Schließlich setzte er dazu an, sich hinüberzuschwingen. Und dabei passierte es: Andreas blieb mit dem Saum der Tunika an einem der Bretter hängen, verlor das Gleichgewicht und stürzte vor Franklins

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