Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
noch unrasierte Kinn. »Und wie üblich haben wir unsere Ärsche mal wieder für nix und wieder nix aus’m Bett gehoben. Geh’n wir zurück, ich krieg Hunger.«
Sie wollten sich gerade zum Gehen umwenden, als ein Husten zu hören war. Ein Irrtum war ausgeschlossen, das Geräusch war laut und vernehmlich gewesen.
»Von wo kam das?«, fragte Angilbert seinen Kameraden, und in seiner Stimme schwang nun statt der gereizten Müdigkeit angespannte Aufmerksamkeit.
»Von da, ganz bestimmt!«, antwortete Rorich und zeigte auf die Reste des Tempels.
Sie zogen ihre Schwerter und gingen auf die Ruine zu, langsam und umsichtig. Auf dem dick mit Moos bewachsenen steinernen Sockel des Bauwerks standen noch die einst weißen, nun grauen und größtenteils mit Flechten überzogenen geborstenen Säulen, die vor langer Zeit das Dach getragen hatten. In ihrer Mitte erhob sich das Mauergeviert eines Altarraumes, dessen Wände immer noch acht Fuß in die Höhe ragten.
»Das war da drin«, flüsterte Rorich so leise, dass es kaum zu hören war, »ich bin mir sicher. Ich gehe hinein, du wartest hier.«
Angilbert beobachtete, wie sein Kamerad auf den Sockel stieg und langsam auf den Eingang des Raumes zuging. Kaum aber, dass Rorich im Inneren verschwunden war, vernahm sein angespannt lauschender Kamerad ein Geräusch, als fiele ein Körper zu Boden, begleitet vom dumpfen metallischen Klirren einer aufschlagenden Rüstung. Rorich war in eine Falle gelaufen.
Angilberts Befehle für einen solchen Fall waren eindeutig. Er durfte sich keinen Augenblick länger hier aufhalten, sondern musste umgehend den nächsten Posten alarmieren. Er drehte sich um und wollte fortlaufen, aber noch ehe er den ersten Schritt machen konnte, stach ihn etwas in die Wange. Er riss den Kopf zur Seite und sah einen Mann in leuchtend rotem Wams zwischen den Säulenstümpfen des Tempels stehen, in der Hand einen glänzenden Gegenstand. Und das war zugleich das Letzte, was er wahrnehmen konnte, bevor das Bild verschwamm, als ob sich die Augen mit Tränen füllten.
Ich muss hier weg!, dachte er, doch seine Beine verweigerten ihm den Gehorsam. Eine lähmende Schwere breitete sich im ganzen Körper aus, er konnte spüren, wie sie durch die Arme bis in die Fingerspitzen kroch, wie sie das Hirn umwölkte. Ihm wurde schwindlig, und es schien ihm, als würde sich sein Leib trotz bleierner Schwere mit unglaublicher Leichtigkeit emporheben.
Jetzt sterbe ich, war sein letzter Gedanke, bevor er zu Boden fiel und ins Nichts stürzte.
»Hast du ihn getötet?«, frage Andreas besorgt, als sie bei dem im Gras liegenden Franken standen.
»Das wäre stillos«, antwortete Franklin, während er neben dem Körper niederkniete und ein kleines Geschoss mit haarfeiner Spitze, die in der Wange des Soldaten steckte, wieder an sich nahm. »Nein, er ist nur betäubt, und der andere auch. Die werden jetzt rund vierundzwanzig Stunden schlafen und danach mit fürchterlichen Kopfschmerzen wieder aufwachen, aber sonst wird ihnen nichts fehlen.«
Andreas war beruhigt.
Er mochte ein Gote sein und somit einem Volk angehören, das mit Stolz auf seine Waffentaten zurückblickte. Aber er war auch Christ und trotz seiner nur schwach ausgeprägten Religiosität davon überzeugt, dass Mord eine Todsünde war und die Mitwisserschaft daran gewiss auch das Seelenheil gefährdete. Sie zogen den Franken die Uniformen aus, dann versteckten sie die ohnmächtigen Soldaten im Buschwerk abseits des Pfades.
»Wird man sie nicht vermissen und nach ihnen suchen?«, fiel Andreas ein, als er Wams und Rüstung über seiner Tunika anlegte.
»Ganz bestimmt sogar. Aber manche Sachen laufen bei allen Armeen gleich, ganz egal in welcher Zeit oder Welt. Wenn man merkt, dass die beiden fehlen, wird man als Erstes vermuten, sie seien desertiert. Glaub mir, das ist immer und überall so. Unser einziges Problem ist, dass wir nur einen Tag Zeit haben, um uns hier umzusehen und wieder zu verschwinden. Wir dürfen keine Minute vergeuden. Bist du so weit?«
Andreas prüfte noch den Sitz des Schwertgurtes, dann setzte er sich den geschwungenen Helm auf den Kopf. Franklin nickte zufrieden, bis auf den nicht vorschriftsmäßigen Rucksack waren sie von echten Scara-Soldaten nicht zu unterscheiden. Sie machten sich auf den Weg. Hinter einem niedrigen Höhenrücken im Norden lag Aachen mit einem Geheimnis, das nur darauf wartete, entschleiert zu werden.
»Das hatte ich nicht erwartet«, sagte Franklin, als er durch
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