Die Zeitstraße
das Leben der Gefangenen nur so lange sicher war, wie wir nicht verfolgt wurden. Damit setzten wir uns durch. Wir erreichten die Küste und das Versteck unserer Flotte unbehelligt. Wie ich später erfuhr, schätzten die freien Thubalkainer das Leben ihrer gefangenen Brüder so hoch, daß sie auch an Kaltheon keine Meldung von dem Überfall gaben – wohl wissend, daß dieser sich wahrscheinlich durch keine Macht der Welt von einer Verfolgung hätte abhalten lassen.
Die Bomben allerdings nahmen wir nicht mit uns an Bord der Schiffe. Wir hatten sie auf dem Weg zur Küste zurückgelassen, an heimlichen Stellen, die die Gefangenen nicht zu sehen bekamen. Wir verwischten alle Spuren, so daß es den Thubalkainern und Atalanern so gut wie unmöglich sein würde, die versteckten Bomben zu finden. Bei uns behielten wir alleine das Auslösegerät, das an sich für Kaltheon bestimmt war und ihn, wäre es jemals in seine Hand gelangt, befähigt hätte, die Bomben jederzeit zu zünden.
Ungehindert stachen wir in See. Wir wußten, daß unser Überfall nicht bis in alle Ewigkeit geheim bleiben würde. Für uns war es am sichersten, auch den Rückweg über das Wasser Gihon zu nehmen. Kaltheon war seiner Waffen beraubt. Zwar verblieben an Bord der drei Wolkenschiffe insgesamt fünfundzwanzig Bomben; aber das Gerät, mit dem sie zu zünden waren, befand sich in unserer Hand. Wir waren sicher, daß Kaltheon in naher Zukunft für die Königreiche am Ufer des Westlichen Meeres keine Gefahr mehr bedeuten würde und daß wir Zeit genug hatten, unsere Rückkehr auf dem sicherstmöglichen Wege zu bewerkstelligen.
Methusalah Bin Henochs Voraussagen erwiesen sich als richtig, auch wenn sie auf falschen Voraussetzungen beruhten. Es wäre den Thubalkainern selbstverständlich eine Leichtigkeit gewesen, neue Zündgeräte herzustellen, so daß Kaltheon wenigstens die verbleibenden fünfundzwanzig Bomben wirkungsvoll einsetzen konnte. In der Tat waren solche Ersatzgeräte sogar vorhanden. Aber die Thubalkainer hatte der unerwartete Angriff der Sethiter mißtrauisch gemacht. Dieser Planet, auf dem sie nun schon seit Jahrhunderten einen Stützpunkt unterhielten, war plötzlich nicht mehr sicher. Die Völker erwachten und stemmten sich gegen den Druck, der von Atalan ausging – weil Atalan von der fortgeschrittenen Technologie der Fremden profitierte. Die Wolkenschiffe wurden abberufen. Die fünfundzwanzig Bomben blieben an Bord der Fahrzeuge. Kaltheon bekam sie erst gar nicht zu sehen. Der thubalkainische Stützpunkt auf dem Subkontinent Atalan wurde aufgelöst. Die Thubalkainer machten sich auf die Suche nach einem neuen Planeten, auf dem sie sich in größerer Ruhe und Sicherheit niederlassen konnten. Sie machten sich erst gar nicht die Mühe, nach den vier Bomben zu suchen, die Methusalah erbeutet und irgendwo auf Atalan versteckt hatte. Sie flogen einfach ab und überließen Kaltheon und die Atalaner ihrem Schicksal.
Methusalah Bin Henoch verbrachte den größten Teil seines langen Lebens damit, sich in fremden Zeitströmen zu bewegen und zu vergewissern, daß den neunundzwanzig Königreichen am Westlichen Meer tatsächlich keine Gefahr mehr drohte. Nach seiner Individualzeit wurde er insgesamt 969 Jahre alt. Seine Mitmenschen jedoch, die von der geheimen Chronik der sethitischen Könige nichts wußten, hielten ihn für einundsechzig, als er starb und sein Amt an seinen Sohn Lamech überging. Auch Lamech wachte über die Sicherheit des Reiches in derselben Weise wie sein Vater. Seine Zauberworte waren »Mahalaleel« und »Noah«, denn Noah, so wurde ihm von Methusalah aufgetragen, sollte sein erstgeborener Sohn heißen. Während Lamechs Regierungszeit wurde zusehends deutlicher, daß der technischen und militärischen Übermacht der Atalaner die Grundlage entzogen worden war. Die Thubalkainer kamen nie wieder. Atalan hörte auf, eine Bedrohung für das Westliche Meer zu sein.
Lamech starb im Alter von neunundfünfzig Jahren, nach seiner eigenen Rechnung jedoch 777 Jahre alt. Sein Sohn Noah setzte sein Bemühen fort. Unter seiner Regierung jedoch geschah die Panne, daß jemand das Zündgerät, das Methusalah auf Atalan erbeutet hatte und das über Lamech auf Noah vererbt worden war, unsachgemäß bediente, vielleicht auch nur damit spielte. Die vier Bomben explodierten. Sie waren Fusionsbomben hohen Kalibers. Durch die gleichzeitige Detonation aller vier Bomben wurde der Erdteil Atalan in der Mitte auseinandergerissen und versank in den
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