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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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er bislang zu hören bekam, nur diese fünf übersetzen kann? Und wenn ja – was?!
     
    25. September 3445.
    Triumph, Triumph! Und auch ein wenig Entsetzen. Denn ich habe eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, aber es graut mir davor auszudenken, was sie bedeutet.
    Ich hatte lange vergebens darüber nachgegrübelt, was für Schlüsse aus dem vorgestrigen Teilerfolg des Translators zu ziehen seien. Es fiel mir nichts Gescheites ein. Schließlich, aus lauter Verzweiflung, verfiel ich auf ein Experiment, das auf den ersten Blick völlig sinnlos erschien. Ich führte es nur durch, weil es besser ist, etwas Unsinniges zu tun, als völlig untätig dazusitzen. Niemand war mehr überrascht als ich über den Erfolg des Versuches. Plötzlich begann der Translator verständliche Worte in meiner Sprache herauszusprudeln, grammatikalische Konstruktionen, zum Teil sogar ganze Sätze! Das Geheimnis der sirrhanischen Sprache war ihm auf einmal kein Geheimnis mehr. Von Morgen zu Abend desselben Tages hatte er fast alles entschlüsselt, was ich bislang aufgezeichnet hatte.
    Wie war das geschehen? Meinem hilflosen Einfall folgend, hatte ich die besprochenen Bänder rückwärts abzuspielen begonnen. In diesen rückwärts ablaufenden Aufzeichnungen fand nun der Translator plötzlich die Hinweise auf eine logische Sprachstruktur, nach denen er so viele Monate vergebens gesucht hatte. Die sirrhanische Sprache ergibt nur dann Sinn, wenn sie rückwärts gespielt wird! Was soll man daraus machen?
    Der bisherige Mißerfolg des Translators war damit erklärt. So, wie er die Sprache der Sirrhaner in den vergangenen sechseinhalb Monaten gehört hatte, war sie wirklich verkehrt, von hinten nach vorne anstatt umgekehrt. Durch Umkrempelung sprachlicher Strukturen geht jedoch der logische Gehalt der Sprache verloren. Man setze einem Translator, der die englische Sprache bis zum letzten Wort beherrscht, eine Reihe von englischen Sätzen vor, die rückwärts abgespielt wurden, und er wird hilflos kapitulieren. Nicht nur, daß er die Sprache nicht erkennt. Er kann sie auch nicht rekonstruieren. Englisch – oder irgendeine andere Sprache – rückwärts gesprochen ist keine logische Sprache im Sinne der Regeln und Vorschriften, denen das menschliche Bewußtsein und damit auch der von ihm geschaffene Translator gehorcht.
    Soweit also ist alles klar. Mein Translator beherrscht nunmehr die sirrhanische Sprache. Ich selber kann mir diese Kenntnis zunutze machen und sirrhanische Sätze zusammenstellen, die ich den Bewohnern des Dorfes vorspielen kann. Ich konstruiere die Sätze vorwärts und spiele sie rückwärts. Dann können sie sie verstehen. Der Translator verfügt aufgrund der zahlreichen Aufzeichnungen über einen ausgedehnten Wortschatz und eine umfangreiche Kenntnis grammatischer Konstruktionen. Die Analyse zeigt, daß die Sprache der Sirrhaner arm an Grammatik ist, wie etwa die alten polynesischen Sprachen. Um so besser für den Translator und mich.
    Aber da bleibt eben noch die eine Frage, vor der ich mich zu fürchten beginne: Was bedeutet das alles?
     
    26. September 3445.
    Ich bin nicht sicher, ob ich heute einen Erfolg errungen habe. Folgendes trug sich zu.
    Während der Nacht, in der ich es begreiflicherweise schwer hatte, Schlaf zu finden, stellte ich aus dem Vokabular einen einfachen Satz zusammen. Auf englisch hieß er:
    »Ich komme von der Erde und bin euer Freund.«
    Der Translator erstellte ohne Mühe das sirrhanische Äquivalent des Satzes. Ich zeichnete ihn auf Band auf und spielte ihn rückwärts ab, und siehe da: Aus dem Lautsprecher erklang das typische, vokalreiche Gezwitschere, das ich von den Sirrhanern im Ohr hatte. Früh am Morgen ging ich ins Dorf. Es waren erst wenige Leute auf den Beinen. Ein junger Mann saß vor seiner Hütte. Ich näherte mich ihm vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken. Er lächelte freundlich. Ich setzte mich neben ihm auf den Boden. Plötzlich sprang er mit allen Zeichen der Begeisterung auf, fuchtelte mit den Armen und schrie ein paar Worte, die ich nicht verstand. Da ich in der Nähe der Eingeborenen mein Aufnahmegerät jedoch stets eingeschaltet habe, wurden seine Worte aufgezeichnet.
    Nachdem er genug geschrien hatte, setzte er sich wieder hin und musterte mich mit dem Ausdruck ungläubigen Staunens. Er starrte mich so durchdringend an, daß mir fast unheimlich zumute wurde. Um ihn abzulenken, schaltete ich das Wiedergabegerät an und spielte – rückwärts, versteht sich – den Satz vor, den

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