Die Zeitwanderer
war. Das hat länger gedauert, als ich angenommen hatte. Ich begann schon zu befürchten, ich würde dich ganz verpassen.«
»Wie bitte?«
»So, jetzt sind wir hier. Ende gut, alles gut, nicht wahr?«
»Hör zu, Kumpel«, protestierte Kit. »Ich glaube, du bist an den Falschen geraten.«
»Was für eine Freude, dich zu guter Letzt doch noch zu treffen, mein Sohn«, verkündete der alte Gentleman und bot Kit die Hand an. »Die reinste Freude. Aber natürlich sind wir uns noch nicht richtig begegnet. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Cosimo Livingstone.« Bei den letzten Worten beugte er ein wenig den Oberkörper vor.
»Okay, und wo liegt jetzt die Pointe?«, verlangte Kit zu wissen.
»Oh, das ist kein Witz«, versicherte der alte Mann. »Das ist die reine Wahrheit.«
»Nein, Sie irren sich«, widersprach Kit energisch. »Ich bin Cosimo Livingstone. Aber wie auch immer - woher kennen Sie meinen Namen?«
»Würde es dir sehr viel ausmachen, wenn wir das im Gehen besprechen? Wir sollten wirklich nicht hier stehen bleiben.«
»Das ist Unsinn! Ich werde nirgendwo mit Ihnen hingehen.«
»Also, ich denke, du wirst schon herausfinden, dass du keine große Wahl hast.«
»Das stimmt nicht.«
»Wie bitte?«
»Hör mir gut zu, Kumpel. Ich weiß nicht, wie du an meinen Namen herangekommen bist, aber du musst mich mit irgendjemand anderem verwechselt haben.« Kit hoffte, dass er sehr viel gelassener klang, als er sich tatsächlich im Moment fühlte. »Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein. Doch ich kenne dich nicht und habe nicht die geringste Absicht, mit dir irgendwohin zu gehen.«
»Wohlan«, entgegnete der Fremde. »Aber was könnte dich zu einer Meinungsänderung bewegen?«
»Vergiss es!«, erwiderte Kit und wandte sich ab. »Ich verdufte.«
»Welche Art von Beweisen würde dich überzeugen? Namen, Geburtstage, Verwandtschaftsbeziehungen - vielleicht so etwas?«
Kit marschierte los. »Und tschüss.«
Der Greis folgte ihm. »Dein Vater heißt John, deine Mutter Harriet. Du bist in Weston-super-Mare geboren worden, und kurz darauf ist deine Familie nach Manchester gezogen. Dort ist dein Vater als Abteilungsleiter bei einer Versicherungsgesellschaft tätig gewesen, und deine Mutter hat in der Verwaltung einer Schule gearbeitet. Als du zwölf warst, zog deine Familie erneut um und ließ sich in London nieder ...«
Kit blieb in der Mitte der Gasse stehen. Er war hin- und hergerissen zwischen Furcht und ungläubigem Staunen. Langsam drehte er sich um.
Der alte Mann war ebenfalls stehen geblieben und lächelte ihn an. »Wie habe ich mich bisher geschlagen?«
Selbst in dem schlechten Licht, das in dieser Gasse herrschte, war die Familienähnlichkeit deutlich zu erkennen: die kräftige Nase, der starke Kiefer, die breite Stirn, das sich wellenförmig kräuselnde Haar, die vollen Lippen und dunklen Augen - wie bei seinem Vater und dem widerlichen Onkel Leonard. All das waren Grundmerkmale, die Kit während seines ganzen Lebens wiederholt bei anderen Familienmitgliedern mit größeren oder geringeren Abweichungen gesehen hatte.
»Seit deiner Universitätszeit in Manchester - Studium der Medienwissenschaft, was auch immer das ist - hast du mal hier, mal dort gearbeitet und nichts gemacht, was wirklich von Wert -«
»Wer bist du?«, fiel Kit ihm ins Wort. »Woher weißt du das alles?«
»Aber das habe ich dir doch schon gesagt«, antwortete der alte Gentleman kichernd. »Ich bin dein Urgroßvater.«
»Ach ja? Etwa der Urgroßvater, der eines Morgens rausging, um in einem Geschäft einen Laib Brot zu kaufen, und niemals zurückkehrte? Derselbe, der 1893 in Marylebone seine Frau und drei Kinder verließ?«
»Du liebe Zeit, du weißt wirklich davon? Nun, beklagenswerterweise ... genau der bin ich. Allerdings wollte ich nicht einen Laib Brot kaufen, sondern Milch und Wurst.« Der Blick des alten Mannes wurde durchdringend. »Sag mir, weshalb bist du heute Morgen nach draußen gegangen?«
Kits Mund wurde ganz trocken.
»Hmm«, brummte der Fremde. »Was wolltest du besorgen? Eine Dose mit Bohnen? Eine Tageszeitung? Genau auf diese Weise geschieht es immer, siehst du das nicht?«
»Nein ...«, entgegnete Kit, der von Sekunde zu Sekunde verstörter wurde.
»Man kann sagen, dass es eine Familienschwäche ist. Oder ein Talent.« Der alte Mann trat einen Schritt auf Kit zu. »Komm mit mir.«
»Warum - bei allem, was heilig ist - sollte ich mit dir irgendwo hingehen?«
»Weil du, mein lieber Junge, ein einsamer
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