Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
marschiert. Nach ihrer Rückkehr nach Jena saß die Gruppe um Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe noch in der Wohnung eines Neonazikaders mit Ralf Wohlleben zusammen, dem führenden Neonaziaktivisten aus Jena. Bei diesem Treffen soll Uwe Mundlos der Freundin von Wohlleben den Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben haben, sagt diese später.
Nach dem Besuch bei seiner Mutter hat Uwe Mundlos noch einen Termin in Jena. Er fährt in die Innenstadt. Hier ist die Praxis seines Hausarztes. Mundlos lässt sich ein letztes Mal untersuchen, bevor er in den Untergrund geht. Und er lässt sich von seinem Hausarzt eine Krankschreibung ausstellen, die er in der Schule vorlegen will. Vielleicht hat er nicht vor, lange wegzubleiben.
Es ist 11 Uhr, als die Bombenentschärfer vom Dezernat 33 des Landeskriminalamts aus Erfurt an der Garagenanlage in Jena eintreffen. Sie sichern die Rohrbomben und den TNT-Sprengstoff. Dann beginnt das Dutzend Kommissare und Polizisten, alle Beweisstücke einzusammeln. Am Ende stehen 61 Gegenstände auf dem «Sicherstellungsprotokoll». So finden die Fahnder in den Kastenregalen, Metallschränken und auf dem Boden:
4 vorbereitete Bomben
1 funktionsfähige Bombe
1 vorbereitete Zündvorrichtung
1 verdrahteten Funkwecker
1 Fotoapparat
5 Rohrstücke
Blechdosen mit schwarzem Pulver
Dochte
26 Disketten
mehrere Eimer, Pinsel, Strickrollen und Handschuhe sowie
Knetmasse.
In einem Pappkarton liegen Ausgaben der Skinhead-Fanzines «Foier frei!» und «Der Weisse Wolf», Naziliteratur wie «Henker, Heuchler und Halunken – Der Nürnberger Prozess» sowie Broschüren mit Titeln wie «Sonnenbanner – Nationalsozialistisches Schulungsblatt», «Neue Position. Den Widerstand aufbauen! Polizeiasse im Einsatz» oder «AMOK – Texte für terminale Täter».
An der Garderobe hängen zwei olivgrüne Bomberjacken, vor dem Küchenschrank steht ein gepackter schwarzer Rucksack. In dem Stoffsack befinden sich neben Mietunterlagen von Uwe Mundlos, neun Flugblättern des «Nationalen Widerstandes», einer Geldbörse, Fotos und Briefen auch sein Reisepass, eine Liste mit gesammelten Autokennzeichen von zivilen Polizeiwagen sowie ein Zettel mit 53 Telefonnummern von bekannten Neonazis.
Der ordentliche Mundlos hatte den Rucksack anscheinend so vorbereitet, dass alle wichtigen Gegenstände für ein Untertauchen an einem Ort sind, wenn sie einmal flüchten müssten.
Gegen 10:30 Uhr informiert ein LKA-Ermittler die Zentrale über den TNT- und Bombenfund. Die Staatsanwaltschaft Gera ordnet daraufhin die sofortige Festnahme von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe an. Es ist Gefahr im Verzug.
Die Suche beginnt.
Als die Beamten um 13 Uhr das Gelände der Garagenanlage «An der Kläranlage» mit dem Kofferraum voller belastender Asservate verlassen, sind sie zu 100 Prozent sicher, dass sie genug Beweise haben für eine Anklage des Trios.
Gegen 14 Uhr trommelt der Einsatzleiter des Landeskriminalamts alle Durchsuchungs- und Festnahmekräfte in einem Schulungsraum in der Polizeidirektion Jena zusammen. Gut eine halbe Stunde später schwärmen alle verfügbaren Beamten aus, um das Trio dingfest zu machen.
Es ist 14:40 Uhr am 26. Januar 1998.
3
Hausdurchsuchungen
Parallel ziehen mehrere Teams los, um zeitgleich die Wohnungen aller Verdächtigen zu durchsuchen und die Bombenbastler festzunehmen. Gegen 14:45 Uhr stehen die ersten Polizisten der LKA-Einsatzgruppe «Terrorismus/Extremismus» vor einer Wohnung, die sie heute Morgen schon einmal aufgesucht hatten. Sie wollen jetzt auch Uwe Böhnhardts Zimmer durchsuchen, nachdem sie vor ein paar Stunden nur den Durchsuchungsbefehl für die Garagen hatten.
Sie klingeln, aber keiner öffnet ihnen. Sie könnten die Tür aufbrechen, aber sie warten lieber, bis jemand nach Hause kommt.
Es ist 14:55 Uhr, als eine zweite Einheit an der Wohnung von Beate Zschäpe in der Schomerusstraße auftaucht. Nachdem ein Schlüsseldienst die Wohnung im sechsten Stock des Neubaus geöffnet hat, durchsuchen die Polizisten eine Stunde lang jeden Winkel in Wohnzimmer, Küche und Bad.
Sie stoßen auf ein Waffenlager. An der Wohnzimmerwand über ihrem Sofa und an einem Bettschrank über ihrem Bett hat Zschäpe gefährliche Waffen aufgehängt: eine Armbrust, einen Wurfanker mit Seil, ein Luftgewehr, einen Morgenstern, einen Wurfstern, ein Buschmesser, einen Dolch und eine Zwille.
Neben den Waffen hängen Plakate mit Hakenkreuzen und eine Reichskriegsflagge.
Unter der Wohnzimmercouch
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