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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Sorgfalt verwandt haben. Sie berichten von Fanatikern und Wirrköpfen, aber auch davon, wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann, wie sich in einer Zeit des Umbruchs ein rechtsextremes Milieu herausbildet und die Herrschaft über öffentliche Räume übernimmt. Und wie Mittelschichtskinder aus ehedem geordneten Verhältnissen allmählich zu kaltblütigen Killern mutieren.
    Auch wenn die Autoren sich mit Urteilen wohltuend zurückhalten, wird doch deutlich, dass der Staat und seine Organe in keiner Facette dieser Geschichte eine wirklich überzeugende Rolle spielten.
    Manchmal sind sie gar zum Fürchten: Ein hessischer Verfassungsschützer ist zufällig bei einem der Mord in Tatortnähe und meldet sich nicht bei der Polizei als Zeuge. Angeblich hat er den Mord nicht mitbekommen. Als die Fahnder bei ihm daheim nachschauen, finden sie Abschriften von «Mein Kampf», auf denen Stempel aus dem Dritten Reich und Unterschriften Adolf Hitlers nachgezeichnet sind. In seinem Elternhaus verwahrt er vier Schießgeräte und mehr als hundert Schuss Munition. Und als ob das alles nicht seltsam genug wäre, finden die Ermittler bei ihm auch noch Haschisch. Die Karikatur eines Staats-Schützers.
    Es gibt, auch das zeigt die Entstehungsgeschichte der Thüringer Terrorzelle, besondere Probleme im Osten, aber Rechtsextremismus ist nicht allein ein Ost-Phänomen. Wenn «national befreite Zonen» ausgerufen werden, müssen die Demokraten um die Rückeroberung des öffentlichen Raums für die Werte der Demokratie und der Toleranz kämpfen. Es ist verheerend, wenn Neonazis junge Leute mit Kameradschaftsabenden ködern können, weil sich sonst niemand um diese Jugendlichen kümmert. Diese Feststellung gilt nicht nur für den Osten, sondern auch für den Westen. Es braucht im Westen und im Osten den Aufstand der Anständigen und die Professionalität der Zuständigen.
    Was die Autoren über die Zelle zutage gefördert haben und in diesem Buch nüchtern und erhellend zugleich erzählen, ist ein wichtiger Beitrag zur Entstehungsgeschichte von braunem Terror und zugleich die ebenso wichtige Zwischenbilanz einer Affäre, die vom großen Versagen des Staates handelt.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil Eins
    Die Flucht
    1
    Razzia
    Es ist ein gewöhnlicher Montagmorgen im Januar bei Familie Böhnhardt in Jena. Der Vater ist schon auf dem Weg zur Arbeit, die Mutter liegt im Bett, und der 20-jährige Sohn Uwe Böhnhardt schläft noch fest. Alles ist ruhig in der Straße, als sie um 6:30 Uhr Sturm klingeln und mit den Fäusten gegen die Tür der Böhnhardts trommeln.
    Davon überrascht öffnet die Mutter, Brigitte Böhnhardt, die Tür ihrer Wohnung in der 7. Etage eines Jenaer Plattenbaus. Vor ihr stehen sechs Polizisten der «Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus» des Landeskriminalamts Thüringen und der Kriminalpolizei Jena. Es geht wie immer um Uwe.
    Als Uwe Böhnhardt von den Stimmen munter wird, erkennt er sofort, wer ihn da besuchen kommt. Sind sie jetzt also endlich gekommen, ihn zu holen. Seit 47 Tagen ist seine Jugendstrafe rechtskräftig. Zwei Jahre und drei Monate soll er absitzen.
    Die Polizisten der Spezialeinheit für Terrorismusbekämpfung halten aber keinen Haftbefehl in der Hand, sondern nur einen Durchsuchungsbeschluss.
    Sie suchen eine Bombenwerkstatt.
    Die Fahnder interessieren sich für vier Garagen: zwei, die gegenüber dem Neubaublock liegen, in dem die Böhnhardts leben, und zwei weitere Garagen unweit der Kläranlage in Jena-Burgau. Die Ermittler glauben, dass alle vier Schuppen von Uwe Böhnhardt benutzt werden.
    Die Polizei kennt jetzt also seine geheime Bombenbastlerbaracke. Böhnhardt weiß, was das bedeutet. Es ist nur noch eine Frage von Stunden, vielleicht Minuten, bis die Ermittler finden, wonach sie suchen: eine funktionsfähige Bombe und vier weitere fertige Sprengsätze.

    Parallel zur Razzia in Böhnhardts Garagen gegenüber seiner Wohnung in der Richard-Zimmermann-Straße stehen an diesem Morgen auch uniformierte Polizisten vor einem Schuppen in einer Garagenanlage am Stadtrand.
    Die Einsatzleitung beim Landeskriminalamt hatte durch eine Observation des Geheimdienstes erfahren, dass Böhnhardt in der Garage an der Kläranlage Material zum Bombenbauen lagert. Und dass er sich im Umfeld dieser Garage besonders konspirativ verhalten würde.
    Aber die LKA-Ermittler fangen nicht dort mit den Durchsuchungen an. Die uniformierten Kollegen der Außensicherung müssen warten.
    Es droht die Gefahr eines rechten

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