Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Bombenanschlags in Jena. In immer kürzeren Abständen haben in den vergangenen Monaten Bombenfunde die Stadt erschüttert. Dabei handelte es sich um echte Bomben mit Zünder, die jedoch nicht funktioniert haben. Auch TNT-Sprengstoff wurde gefunden.
Die Terrorismusfahnder sind sicher, dass Mitglieder der rechten Szene hinter den abgelegten Bomben stecken. Die Observation von Uwe Böhnhardt hat ihre Vermutung bestätigt.
Kinder und Passanten fanden Bombenkoffer im Stadion, vor dem Theaterhaus und vor einem Denkmal. Drei Briefbomben erreichten eine Polizeiwache, das Ordnungsamt und die Lokalredaktion der Thüringischen Landeszeitung . Alle Bomben waren nicht zündfähig und wurden von der Polizei als Bombenattrappen eingestuft.
Die Bombenattrappen waren als Warnung zu verstehen. Was aber ist, wenn die nächste Bombe keine Attrappe mehr ist?
Die Polizisten der Terrorismus-Sondereinheit des LKA verlesen Mutter und Sohn Böhnhardt den «Durchsuchungsbeschluss». Danach verabschiedet sich Uwe Böhnhardt von seiner Mutter Brigitte Böhnhardt. Sie muss zur Arbeit. Die letzten Worte an ihren Sohn sind: «Uwe, pass auf, dass sie nicht irgendetwas finden in unserer Garage, was vorher nicht da lag.»
Böhnhardt zieht sich schnell eine Hose und ein T-Shirt an und begleitet die Polizisten dann über die Straße vor dem Neubauhochhaus auf die gegenüberliegende Straßenseite. Hier stehen unzählige Garagen in einer Reihe. Uwe Böhnhardt öffnet die Garage mit der Nummer 6.
Zuerst inspizieren die Polizisten den Kofferraum und das Wageninnere seines Autos. Dann bitten sie ihn, seinen roten Hyundai herauszufahren, damit sie Platz haben, um sich alle Gegenstände genau ansehen zu können.
Einem Teil des Durchsuchungstrupps soll Uwe Böhnhardt jetzt noch zur Garagenanlage an der Kläranlage folgen.
Es ist 8:15 Uhr am 26. Januar 1998.
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Bombenwerkstatt
Während Uwe Böhnhardt in sein Auto steigt und vor den Polizeiwagen zur nächsten Garage fährt, bergen Polizisten und ein Sprengstoffsuchhund in seiner Garage ein Beweisstück. Es trägt die «laufende Gegenstandsnummer 4» und ist: eine Rolle Bindfaden.
Seit heute morgen 6 Uhr sind rund 20 Polizisten in ganz Jena im Einsatz. Das Landeskriminalamt hat Fahnder aus Erfurt geschickt, auch die Kriminalpolizei Jena ist dabei, um die großangelegte Razzia abzusichern. Die Aktion trägt das Aktenzeichen 7 Gs 31/98.
Um 9:30 Uhr öffnen die Polizisten des LKA die zweite Garage gegenüber von Uwe Böhnhardts Wohnhaus. Es ist die Garage mit der Nummer 7, genau neben dem ersten durchsuchten Schuppen.
Da Böhnhardt weg ist, rufen die Beamten einen Schlüsseldienst. Nachdem dieser das Schloss geöffnet und ein neues eingesetzt hat, filzen die Polizisten jeden Zentimeter des Raumes. Während der Durchsuchung macht ein Passant die Männer darauf aufmerksam, dass die Garage gar nicht Böhnhardt gehört – sondern einem anderen Mieter im gleichen Haus.
Die Beamten sind einer Falschinformation aufgesessen. Sie durchsuchen eine vollkommen belanglose Garage. Als sie das gemerkt haben, folgen die Ermittler ihren Kollegen zur dritten verdächtigen Garage.
Zur gleichen Zeit ist eine zweite Durchsuchungseinheit drei Kilometer entfernt bereits im Einsatz.
Ab 8:15 Uhr macht sich das Einsatzkommando, bestehend aus neun Polizisten, am Tor Nummer 5 im Garagenkomplex «An der Kläranlage» zu schaffen. LKA-Fahnder, Kripobeamte, Kriminaltechniker und ein Hundeführer mit einem Sprengstoffsuchhund haben sich vor dem Schwenktor «Nr. 5» versammelt.
Das Objekt hatten Agenten des Verfassungsschutzes entdeckt, als sie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zwei Monate zuvor beschatteten. Die beiden jungen Männer wurden damals dabei beobachtet, dass sie Brennspiritus und Gummiringe in der Garage einlagerten. Was die Geheimdienstmitarbeiter aber übersahen: Die Garage ist mit einem Sicherheits- und einem Vorhängeschloss gesichert. Den Polizisten fehlt der Schlüssel für das Vorhängeschloss. Darum beordert der Einsatzleiter die Feuerwehr zur Garagenanlage.
Mittlerweile sind drei Polizisten von der ersten Garagendurchsuchung in der Nähe von Böhnhardts Wohnung auch angekommen, im Schlepptau haben sie den verdächtigen Bombenbauer. Irgendwann in diesen Minuten raunt ein Polizist Uwe Böhnhardt zu: «Jetzt gehste ab, der Haftbefehl ist schon unterwegs.»
Böhnhardt weiß sofort, was das bedeutet. Es ist wahrscheinlich seine letzte Chance zur Flucht. Uwe Böhnhardt will nicht wieder ins Gefängnis,
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