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Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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toten Kadeshis geblieben. Viele andere Optionen hatte ich auch nicht. Drei meiner vier Peiniger waren zur Gänze aus dieser Welt verschwunden und hatten all ihre Habseligkeiten mitgenommen, und der vierte war verbrannt.
    In der Not schnappte ich mir die Überreste meiner Hose undschnürte mir einen Lendenschurz. Ich war gerade an einem Punkt angelangt, der geeignet war, die Gesetze der Schicklichkeit von Tien herauszufordern, als irgendwo hinter der leicht geöffneten Tür des Kerkers eine nervöse Stimme ertönte.
    »Lok!«, sagte sie. »Ist alles in Ordnung? Was zum Henker ist passiert?«
    »Scheiße.« Ich hob mein letztes Messer auf und etwas, das aussah wie eine bösartige Kreuzung zwischen einem Schürhaken und einer Knochensäge, und eilte zur Tür.
    Dahinter lag ein Korridor, an dessen Ende ich eine weitere Kerkertür erkannte. Das Licht einer Fackel im Durchgang spiegelte sich in einem Augenpaar, das durch die kleine, vergitterte Öffnung zu mir hinauslugte.
    »Lok?«
    Triss zischte irgendwas in seiner eigenen Sprache und streckte sich den Korridor entlang, griff nach der Tür am anderen Ende. Ehe er dort angelangt war, ertönte eine gedämpfte Verwünschung, und die Augen verschwanden. Einen Moment später läutete eine Alarmglocke.
    Das brachte ein bisschen Spannung in den Terminplan.
    Ich schloss und verriegelte die Tür an meinem Ende des Flurs, brach den Schlüssel im Schloss ab und verkeilte ihn, ehe ich zum Fenster trat. Es war klein, aber wenn wir ein paar Gitterstäbe heraustrennen konnten, würde ich wohl durchpassen, und das war allemal besser, als uns den Weg durch ein unbekanntes Gebäude freizukämpfen. Ich rief Triss und zeigte ihm mit der Hand die Form eines Messers, um ihm zu vermitteln, was ich wollte, doch er glitt immer nur auf dem Türblatt hin und her. Entweder er hörte mich nicht, oder er ignorierte mich schon wieder. Er wollte mehr Blut sehen.
    Ich auch, aber das war nicht der passende Zeitpunkt.
    »Triss!«, blaffte ich. »Denkst du, du kannst das mal für eine Minute lassen und mir bei diesen Gitterstäben helfen? Wirkommen später wieder, dann können wir sie immer noch umbringen. Für den Augenblick müssen wir erst mal hier raus und nachsehen, was mit Maylien passiert ist.«
    Er drehte den Kopf in meine Richtung und zischte etwas, das ebenso wütend wie unverständlich war.
    »Triss, bitte, lass es gut sein für heute Nacht.«
    Seufzend kehrte er zu mir zurück. Ich zeigte ihm wieder die Messergeste, aber statt sich um meine Hände und Schultern zu legen, breitete er die Schwingen weit aus und verdeckte das Fenster und ein gutes Stück der Mauer drum herum. Beinahe eine Minute hing er da wie ein zwischen Buchseiten gepresstes Blütenblatt. Mit einer brutalen Anstrengung, die ich durch unsere Verbindung spüren konnte, spannte er die Schultern, riss die Flügel nach vorn und zog sich für einen Moment auf Stecknadelkopfgröße zusammen. Der Bereich der Wand verschwand zusammen mit dem enthaltenen Fenster im Immerfinster. Zurück blieb ein Loch in Form eines mannsgroßen Drachens. Triss kollabierte für einen Augenblick vollends erschöpft in meinem Schatten. Diese neu entdeckte Gabe forderte ihm einiges ab.
    »Das geht auch.« Ich kletterte in die Öffnung und nutzte die Umrisse eines Hinterbeins als Trittstufe.
    Etwa die Hälfte des Lochs befand sich unter der Erdoberfläche. Zusammen mit meinem nach wie vor recht wackeligen Zustand führte dieser Umstand dazu, dass ich mühsam aufwärtsund hinausglitschte, mich mit Dreck beschmierte und dabei beinahe meinen Lendenschurz einbüßte. Schließlich kam ich in einer stillen, absolut verlassenen, schmalen, gepflasterten Gasse heraus.
    Kein Mädchen. Andererseits hatte ich auch nicht damit gerechnet, sie hier vorzufinden. Ich fand auch keine Mädchenleiche. Das, immerhin, war eine Erleichterung.
    Obwohl mir die Gasse nicht bekannt vorkam, konnte ich an dem Mangel an Müll in den Ecken und dem fehlenden Gossengestank erkennen, dass ich mich in einer der besseren Gegenden der Stadt aufhielt. Vielleicht ein Geschäftsviertel, vielleicht auch ein Wohnviertel, aber auf jeden Fall nicht wohlhabend genug für eine Straßenbeleuchtung. Möglicherweise Schneidergasse oder Unterdenhügeln oder eines der anderen derartigen Viertel. Nach den Gestirnen zu schließen, war die Morgendämmerung noch einige Stunden entfernt, was auch die Stille erklärte.
    Kurz blickte ich zurück in das Loch, aus dem ich gerade geklettert war, und überlegte

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