Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
man von einem stoffummantelten Knüppel hinter dem Ohr getroffen werden, gleich darauf hörte ich jemanden zu Boden gehen, und dann ... Stille.
6
I ch versuchte ans Fenster zu stürzen, wo Maylien gerade aus meinem Blickfeld verschwunden war. Aber meine arg misshandelten Muskeln verweigerten die Kooperation, und so stolperte ich über Wiesel, statt einfach über ihn hinwegzutreten. Im Fallen spürte ich, wie sich Wiesel unter mir ruckartig bewegte, und ich hörte Metall über den Boden schleifen, als er sein Messer zog.
Verdammt. Ich hatte keine Zeit für so was.
Ich versuchte seinem Dolchstoß auszuweichen und krümmte mich unbeholfen nach rechts, als die Klinge heranjagte. Statt tief in mein Fleisch einzudringen, zog mir die Waffe eine oberflächliche Schnittwunde über die Rippen. Ich rollte mich weiter nach rechts, versuchte, etwas Abstand zwischen uns zu bringen, als Wiesel sich auf die Knie stemmte und zu mir herumkreiselte. Ehe ich aus seiner Reichweite kommen konnte, knallte ich gegen die Beine des Exsanguinationstisches und traf dabei die frische Wunde an meinem Brustkorb, was mir einen Regen winziger Lichtpunkte über das Blickfeld trieb.
Wiesel stürzte sich auf mich, hob den Dolch, um ihn in meiner Brust zu versenken. Unter normalen Umständen wäre ich damit mühelos fertiggeworden, auch nackt und unbewaffnet. Aber ich war immer noch so steif und wund, dass ich kaum die Faust ballen konnte, umso weniger jemanden damit schlagen. Damit blieb nur Magie, aber mein Nima war mindestens so erschöpft wie ich selbst. Nicht dass ich irgendeine Wahl gehabt hätte. Ich signalisierte Triss, er möge für einen magischen Blitz sorgen, doch er hatte seine eigenen Pläne.
Der Schatten eines Drachen erhob sich zwischen Wiesel und mir und hing für einen Moment in der Luft wie ein Falke, der sich bereit machte, auf seine Beute herabzustoßen. Wiesel schrie auf, warf sich zurück und ließ das Messer fallen. Triss sank trotzdem auf ihn nieder, umschloss ihn mit den Schwingen der Finsternis und verbarg ihn so vor meinen Blicken. Dann drückte Triss zu, zog sich zu einem festen Schattenball zusammen, versteckt in der Mitte das Wiesel. Langsam schrumpfte der Ball, wurde immer kleiner, bis er gerade noch stecknadelgroß war. Inzwischen bemühte ich mich, wieder auf die Beine zu kommen. Mir war nicht klar, was Triss tat, nicht auf Anhieb, aber ich spürte, wie die enorme Anspannung in dem Band zwischen uns widerhallte.
Als Triss urplötzlich wieder seine normale Größe und Gestalt einnahm, war Wiesel einfach verschwunden. Während ich versuchte, dem Ganzen zu folgen, schlug Triss heftig mit den Flügeln und kletterte in Richtung Decke. Das Band zwischen uns wurde dünner, bis nur noch ein zarter Schattenstrang übrig war. Sein Kopf peitschte zürnend hin und her, als er dort oben wütete und schimpfte. Dabei bediente er sich der Sprache der Finsterlinge und brachte scharfe Zischlaute hervor, die mich an das Geifern wütender Schlangen erinnerten. Ich konnte nur wenige Worte verstehen. »Töten« und »sollen leiden« und »alle«. Es war eben nicht die Sprache, die sie dazu benutzten, sich mit Menschen zu verständigen.
Nun fiel sein Augenmerk auf den verwundeten Narbe, und er dehnte sich über den ganzen Raum aus, erhob sich drohend über dem am Boden liegenden Mann wie die Schattenfigur eines Pantomimen. Narbe schrie auf, als der Schatten über ihn fiel, genauso wie Wiesel geschrien hatte. Triss quetschte ihn, spannte sich, trieb sich selbst beinahe bis an den Rand des Erträglichen ... und dann war auch Narbe verschwunden. Erst jetzt wurde mir klar, was Triss getan haben musste. Er hatte sichselbst zu einem Tor geformt und sie ins Immerfinster geschickt. Ich fragte mich, wie lange sie wohl überleben würden in dieser kalten und endlosen Dunkelheit – ewig im freien Fall, ohne je den Boden zu erreichen –, und fröstelte.
Mir war eisig kalt.
Man hatte mich gelehrt zu töten, kaum dass ich laufen konnte, und ich hatte getötet. Viele Male. Ich hatte selbst vorgehabt, Wiesel und Narbe zu töten. Und ich hätte es mit einem Lächeln auf den Lippen und ohne zu zögern getan. Aber das wäre schnell und sauber vonstatten gegangen, eine geöffnete Vene, ein Dolch im Herzen, eine zerquetschte Kehle. Nicht so etwas wie das, was Triss eben getan hatte.
Der Sturz in das Immerfinster war ein grauenhafter Tod und ein seltener dazu. Ich hatte Gerüchte über übergeschnappte Finsterlinge gehört, die Schattentore
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