Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
die Technik als auch auf die nötige Energie. Aber der Schutzzauber selbst sah so schwach aus ... was konnte man damit wohl anfangen? Durch bloßes Hinsehen konnte ich ihn selbst jetzt, da ich wusste, dass er da war, nicht ausmachen.
»Der offen sichtbare Zauber an der Tür ist nur ein weiteres Ablenkungsmanöver, um die Leute davon abzuhalten, danach Ausschau zu halten, richtig?«
Harad lächelte. »Wirklich gut. Was siehst du noch?«
»Der Schutzzauber auf dem Boden des Balkons ist eine Art Auslöser, richtig? Für etwas, das viel gemeiner ist? Wie sieht das gemeinere Ding aus? Ist es unter der Oberfläche der Steine verborgen?«
Harad zuckte mit den Schultern. »Geschäftsgeheimnis. Es reicht zu sagen, dass dein Freund Devin, sollte er herkommenund an meine Türe klopfen, für dich fortan kein Problem mehr sein wird.«
»Sagt mir Bescheid, sollte es dazu kommen. Dann kümmere ich mich um die Leiche. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
Harad lachte. »Sollte es dazu kommen, wird es keine Leiche geben.«
Ich setzte mich zum Lesen nieder. Triss gönnte sich derweil ein Nickerchen. Bücher langweilten ihn so oder so, und in diesem Fall konnte ich es ihm wirklich nicht verdenken. Das Pamphlet bestand größtenteils aus Blabla. Thauvic ist ein böser Bastard, blabla. Aber da gab es ein paar Dinge, die wissenswert waren. Ich nahm einen Bogen Papier und eine Feder aus einer Kiste neben der Tür – die Lesenische verfügte über ein eigenes Tischtintenfass – und machte mir beim Lesen Notizen, genau wie man es mich gelehrt hatte.
Erbfolge des Königshauses von Tien sowie der Baronie von Marchon.
Nachdem Aral Königsmörder (ich hasse diesen Namen) die Regentschaft von Ashvik beendet hat (indem er ihm ein Schwert in die Kehle bohrte), hat Thauvik, damals Marschall der Streitmacht, den Thron mit Unterstützung der leitenden Generäle und des Ordens der Elite eingenommen.
Dass er trotz seiner Bastardschaft seinem Bruder auf den Thron nachfolgen konnte, beruht auf drei Faktoren:
Erstens, der wichtigste Faktor: Er erfreute sich hoher Wertschätzung bei der Elite und beim Militär, in dessen Rängen er aufgrund seiner eigenen Verdienste aufgestiegen war, nicht durch die Gunst seines Bruders, der ihn in der Öffentlichkeit meistens ignoriert hatte.
Zweitens: Zwar hatte die Königin Ashvik drei legitime Kinder geschenkt, doch er hatte sie alle wegen »Hochverrat« und »Anschlägen auf den Thron« hinrichten lassen. (Alle drei waren unschuldig gewesen. Das war einer der Gründe, warum Namara ihn zum Tode verurteilt hatte. Der andere war, dass er für die brutale Ermordung von mehr als zehntausend unschuldigen Kadeshi-Dörflern verantwortlich gewesen war.)
Drittens: Ashviks eigene Bastardtöchter, die er (oh, Scheiße) mit der Marchon gezeugt hatte, hätten vielleicht einen geringfügig legitimeren Anspruch auf den Thron geltend machen können, waren jedoch beide noch unmündig. Zudem galten sie zu jener Zeit bereits seit einigen Wochen als vermisst und wurden für tot gehalten. Offiziell hieß es, man hätte sie an den Hof des Thane von Aven geschickt, wo sie den letzten Schliff erhalten sollten, aber es wurde allgemein angenommen, dass sie von dem verstorbenen König ermordet worden waren – ein ordentliches Verfahren erübrigte sich in Anbetracht ihres Bastardstatus so oder so. (Namen?)
So viel hatte ich seit Ewigkeiten nicht geschrieben. Ich streckte die Finger aus, um die Krämpfe zu lindern, und wünschte, wer immer dieses Buch gechrieben hatte, hätte sich sinnreicherer Prioritäten besonnen, namentlich derer, die ich zugrunde legte. Ich wollte wissen, wie die Namen der angeblich ermordeten Mädchen lauteten, wenngleich ich fürchtete, einer davon war Maylien. Alles andere hätte mein Leben einfacher gemacht, aber so schienen die Würfel derzeit nicht fallen zu wollen. Seufzend stürzte ich mich wieder in die Lektüre. Mehr Blabla, Festigung der Herrschaft Thauvis mit Hilfe von umsichtigem Blutvergießen, darunter das des Barons Marchon, blabla; Erweiterung der Armee und Ausdehnung der Befugnisse des Kriegsministeriums, blabla. Und dann wieder etwas, das ich brauchen konnte.
Sechs Jahre nach dem Verschwinden von Ashviks illegitimen Töchtern mit seiner letzten Mätresse, Juli Dan Marchon (die jüngere Schwester des Barons), wurden bei Hofe zwei junge Damen von eben dieser Juli Dan Marchon (inzwischen Baronin Marchon) als die lange verschollenen Erbinnen präsentiert. Zu jener Zeit bat sie, die
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