Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
war in der Tempelschule geformt worden, zusammen mit Siri und Jax und einem Dutzend anderer, darunter auch sein Freund Devin.
Einige meiner frühesten Erinnerungen umfassten mich und Devin. Unsere Zellen hatten an einem der Flure im Knabenflügel gleich nebeneinandergelegen, und da wir fast gleich alt waren, hatten wir viel Zeit zusammen verbracht.
Dalridia, das Königreich in den Wolken. Ich war elf, Devin zwölf. Meister Loris hatte uns dorthin geführt, damit wir Körper und Geist darin schulen konnten, in der dünnen Luft großer Höhen zu agieren. Während der ersten paar Wochen taten wir weiter nichts als laufen, sparren und Kampfmethoden üben, undam Ende jedes Tages brachen wir förmlich zusammen und fielen in den tiefen Schlaf totaler Erschöpfung.
Dies war der erste Abend, an dem wir beide nicht imstande gewesen waren, über das Abendessen hinaus die Augen offen zu halten. Loris war aus irgendeinem Grund, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte, in das Dorf gegangen und hatte Devin und mich in dem großen Zelt allein zurückgelassen, was uns einen zusätzlichen Anreiz zum Wachbleiben geliefert hatte. In den Anfangsjahren im Tempel blieb man nur ausgesprochen selten wirklich unbeaufsichtigt.
Triss und Zass balgten, jagten einander über die Segeltuchwände und lieferten uns ein herrliches Schattenspiel – der Drache und die Tayra. Ich lachte, wenn mein Vertrauter seinen frettchenartigen Gegner erwischte. Zass war schneller und wendiger als Triss, aber nicht so groß oder stark – sie waren ebenbürtige Gegner.
»Dann bist jetzt du dran«, sagte ich. »Erzähl mir von den Bergen von Aven.«
»Sie sind ungefähr so hoch wie die von Dalridia, aber es gibt dort viel Schnee und Eis.« Devin nippte an seinem Efik.
»Trinkst du das Zeug deswegen?« Ich deutete auf seinen dampfenden Becher und die diversen Hilfsmittel, die zu der Zubereitung des Gebräus nötig waren. »Weil es dort, wo du herkommst, so kalt ist?«
Er schnaubte. »Das ist ein varynisches Getränk. Ich glaube, bei uns zu Hause gibt es niemanden, der auch nur weiß, dass es das Zeug gibt. Ich trinke es, weil ich es mag und weil es mich beruhigt.«
»Aber es ist so bitter.« Ich schauderte in gespieltem Entsetzen.
Die meisten der älteren Schwertführer schworen auf die beruhigende Wirkung von Efik, aber unter den jüngeren hatten bisher nur Devin und Siri Geschmack daran gefunden.
»Du bist so ein Baby«, sagte Devin. »Hey, Zass hat gerade eineRunde gewonnen, also bist du jetzt dran. Erzähl mir davon, wie es ist, in Sichtweite des Tempels geboren worden zu sein.«
Varya, der große Tempel der Namara, kurz nach dem Trauergottesdienst. Ich war siebzehn und untröstlich. Gerade war Alinthide Giftmischer im Einsatz zu Tode gekommen, die Dritte der unseren, die versucht hatte, Ashvik VI., dem Schlächter von Kadesh, ein Ende zu machen. Meisterin Alinthide war eine meiner Lieblingslehrerinnen gewesen und mit ihren hundertvierundfünfzig Jahren eine der ältesten Klingen im aktiven Dienst.
Wunderschön und warmherzig, stets bereit, Fragen über die Gifte zu beantworten, die ihr Spezialgebiet waren, hatte sie keinen Tag älter ausgesehen als fünfundzwanzig. Seit beinahe zwei Jahren war ich heiß in sie verliebt und gab mich der vollkommen unrealistischen Hoffnung hin, ich hätte vielleicht eine Chance, wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen und mir einen Arbeitsnamen verdient hätte.
Als die Priesterin Alinthides Seelendolch der Göttin zurückgegeben hatte – als sie den Kīla aus schwarzem Stahl in die schattigen Tiefen von Namaras Teich geworfen hatte –, waren wir mit einer Schute von der heiligen Insel zurückgekehrt. Nach dem Anlegen hatte ich mich vom Tempel ab- und der untergehenden Sonne zugewandt und war blindlings weinend am Ufer entlanggegangen. Triss hatte auf meinem Rücken gehangen, mir sacht die Schultern gerieben und mir wortlos Trost zugeraunt.
Erst nach ungefähr einer halben Meile wurde mir bewusst, dass Devin mir in höflichem Abstand folgte – nahe genug, dass niemand, der die Ausbildung eines Schwertführers genossen hatte, ihn übersehen konnte, aber auch weit genug weg, um nicht aufdringlich zu wirken. Ich winkte ihn heran, und wir setztenunseren Weg schweigend gemeinsam fort, wir vier, die Klingen in spe mit ihren hinterherscharwenzelnden Finsterlingen.
Als die Tränen endlich versiegten, nahm ich ein paar geröstete Efikbohnen aus einem kleinen Beutel, den ich stets bei mir hatte, und fing an, auf
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