Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
ihnen herumzukauen. Mir wurde beinahe schlecht von dem bitteren Geschmack, aber ich hatte weder die Zeit noch die Utensilien, um das Zeug ordentlich zuzubereiten. Ich brauchte sofort etwas, um mich zu beruhigen und dem Pochen in meinem Schädel die Schärfe zu nehmen, und da die Priester Alkohol strikt ablehnten ...
»Drei!« Das Wort brach aus mir hervor, fast schon gegen meinen Willen, und ich fühlte, wie Triss erschrocken zusammenzuckte, als ich mich zu Devin umdrehte. »Drei Schwertführer in ebenso vielen Jahreszeiten. Wie kann die Göttin Ashvik damit davonkommen lassen?«
»Namara ist nicht die einzige Gottheit«, flüsterte Devin. »Vielleicht ist ihr Widerpart in dieser Sache zu stark.«
Zass, der auf unserer Spur hin und her geflitzt war, zuckte seinerseits bei Devins Worten zusammen und verschmolz gänzlich mit dessen Schatten.
»Unmöglich!«, sagte ich, und in diesem Moment war ich davon vollkommen überzeugt. »Namara ist unaufhaltsam.«
»Und warum gibt es dann so viele Schwertführer, die nur noch in Form eines stählernen schwarzen Dolches, der in das tiefe Wasser geworfen wird, zu ihr zurückkehren?«, fragte Devin. »So viele Tote, die auf fernen Scheiterhaufen verbrannt werden?«
Zunächst hatte ich darauf keine Antwort. Aber dann, beinahe als hätte die Göttin selbst sie in meinen Kopf gesandt, hörte ich eine Phrase aus dem Buch der Namara, Worte, gesprochen mit der Stimme der Hohepriesterin, die in meinem ersten Jahr im Tempel gestorben war, und ich kann noch immer nicht sagen, ob sie meiner Erinnerung entstammten oder mir von der Göttin geschenkt wurden.
»Die Scheide bedarf des richtigen Schwertführers«, sagte ich, und Triss nickte zustimmend.
»Klar, und ›jene, die Namara töten will, sind wie die Scheiden für ihre Schwertführer‹.« Devin verdrehte zwar nicht die Augen, aber ich sah ihm an, dass er es am liebsten getan hätte.
Zass glitt wieder in Sichtweite und lugte vom Boden aus zu mir empor. »Alinthide war eine der Besten. Wenn sie es nicht geschafft hat, wer dann?«
»Ich.« Das Wort glitt über meine Lippen, doch ich hatte nicht das Gefühl, es wirklich ausgesprochen zu haben, eher war es, als hätte das Wort sich selbst gesprochen – als wäre alles, was ich bis zu diesem Punkt getan hatte, meine Ausbildung, alles, was ich geworden war, nur das Vorspiel zu dieser schlichten Aussage gewesen. Der Aussage, ich könnte einen König töten.
Triss erstarrte, und Devin setzte zu Widerspruch an, wollte mir erklären, dass ich verrückt sei, ein Narr und dass ich es nie auch nur bis Tien schaffen würde. Ich aber konnte ihn kaum hören. Stattdessen blickte ich hinaus auf die tiefen blauen Wasser des heiligen Sees und lauschte ... worauf?
Ich weiß es nicht. Damals dachte ich, ich würde der Göttin lauschen, und manches, was kurz darauf geschah, schien diese Vorstellung zu stützen. Aber heute bin ich nicht mehr so sicher. Dessen nicht und auch alles anderen nicht. Die Welt ist für mich zu einem grauen Ort geworden, angefüllt mit Schatten, wo es einst nur Schwarz und Weiß gegeben hatte. Diese innere Stimme mochte Ausdruck meines Stolzes gewesen sein oder einer Narretei oder einfach eines Herzens, angefüllt mit Zorn über den Tod eines Menschen, den ich geliebt hatte. Was immer dahinter gesteckt hatte, in diesem Moment war ich überzeugt, ich wäre der Schwertführer, der Ashvik umbringen würde.
»Ich werde den König töten«, sagte ich und schnitt damit Devins Widerspruch abrupt ab, während Triss sich bekümmert auf meinen Rücken fallen ließ.
»Das kannst du nicht ernst meinen«, sagte Devin. »Du bist ja noch nicht einmal ein vollwertiger Schwertführer. Du hast dein Kīla noch nicht erhalten. Die Elite wird dich in Stücke reißen und deine Einzelteile an die steinernen Hunde verfüttern.«
In diesem Moment hätte ich wohl Furcht verspüren müssen, aber das tat ich nicht. Alles, was ich empfand, war Gewissheit.
»Die Göttin hat zu mir gesprochen.«
Vielleicht lag es an meiner Miene. Vielleicht auch an meinem Tonfall. Vielleicht hatte auch Zass ihn angestupst. Was immer der Grund war, Devin hörte auf, mir zu widersprechen.
»Es ist dir ernst, richtig?«, fragte er schließlich.
Ich nickte, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Züge umfassten etwas wie Ehrfurcht und etwas wie Mitleid und vielleicht eine Spur von Neid. Ja, Neid. Ich glaube, in diesem Moment, als er mir endlich glaubte, hat es angefangen, obwohl ich das damals und auch
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