Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
Einige Herzschläge lang loderte der Hass in seinen Augen, doch dann starb er so einfach wie ein Schaf, das für die Küche geschlachtet worden war. Ich weiß nicht, womit ich in diesem Moment gerechnet hatte, mit einem plötzlich loshämmernden Alarm, einer gewaltigen Wolke bösartigen Rauchs, die von der Leiche aufstieg, wilden Jubelschreien? Wie die Antwort auch lauten mag, ich bekam nichts dergleichen.
Ashvik VI., König von Zhan, Schlächter von Kadesh und Mörder seiner eigenen königlichen Söhne. sank ganz einfach zurück und entglitt meinen Klingen, und ich fühlte gar nichts.
Wie man es mich gelehrt hatte, führte ich mit den Schwertern schnelle Bewegungen aus, um sie von dem Blut zu reinigen, ehe ich sie zurück in die Scheiden auf meinem Rücken steckte. Als Nächstes legte ich den toten König so auf die Chaiselongue,als würde er nur schlafen. Dann zog ich das Auge der Namara aus seiner Scheide, bohrte es tief in Ashviks Brust und achtete darauf, dass das blaue Lapislazuli-Auge im Heft beständig die Tür anstarrte. Und noch immer fühlte ich nichts, nicht einmal Befriedigung ob der erfolgreich erledigten Aufgabe.
Bei einem geringeren Schurken hätte die Göttin mir vielleicht eine Schriftrolle mitgegeben, in der die Übeltaten des Mannes aufgeführt wurden, die ich am Ort der Exekution hätte zurücklassen müssen. Doch Ashviks Verbrechen waren so gewaltig und allseits bekannt. Sein nächstes Leben würde kein gutes Leben sein.
Ich wandte mich von der Leiche ab, verließ den Raum und schloss die Tür hinter mir, ohne auch nur einmal zurückzublicken. In der Stube angelangt, verriegelte ich die Schlafzimmertür des Königs mittels Magie. Dann nahm ich einen zweiten Papierbann aus meiner Tasche und platzierte ihn an der Außentür. Dieser Bann würde heulen wie ein Unterweltwolf, wenn das Papier zerrissen wurde. Dann zurück in den Abort, Tür schließen, hinunterlassen, die Falltür mit dem Feuerbann versiegeln und weiter durch die Räumlichkeiten des toten Prinzen. Fünf Minuten nach dem Tod des Königs war ich wieder in dem kleinen Sitzungsraum und versiegelte die Tür zum Gang mit meinen letzten, verzauberten Riemen. Das würde die Elite und ihre Steinhunde nicht lange aufhalten können, aber es würde mir ein paar kostbare Sekunden verschaffen.
Ich ging ein kleines Risiko ein, schlüpfte hinaus auf den Balkon und hockte mich in einer dunklen Ecke an das Geländer. Nun musste die Leiche nur etwa eine Stunde unentdeckt bleiben, bis mir der nächste Schichtwechsel die Möglichkeit gab, von der Elite unentdeckt in den Garten zu entkommen. Es war schwer, den Impuls zu unterdrücken, auf der Stelle zu verschwinden, aber meine Chancen, sauber davonzukommen, würden drastisch steigen, wenn ich mich in Geduld übte.
Hast tötet.
Nach etwa zehn Minuten kam mir allmählich die Ungeheuerlichkeit meiner Tat zu Bewusstsein. Nicht der Teil, der davon handelte, dass ich erstmals einen Menschen getötet hatte, dieser spezielle Schrecken sollte mich erst Monate später heimsuchen, nachdem ich erstmals einen Gardisten hatte umbringen müssen. Nein, in dieser Nacht dort auf dem Balkon war Ashvik für mich gar kein Mensch. Er war ganz einfach das Böse schlechthin.
Was ich dort empfand, war etwas ganz anderes, religiöse Ekstase, die auf der goldenen Woge des Sieges schwamm. Meine Göttin hatte mich auf eine Mission entsandt, und ich war erfolgreich gewesen, wo drei andere und erfahrenere Klingen versagt hatten. Namara hatte an mich geglaubt, wie ich an sie glaubte, und für sie hatte ich ein Monster aus der Welt geschafft. Mehr noch, ich hatte meinen Auftrag sauber ausgeführt, ohne entdeckt zu werden oder einem anderen lebenden Wesen als meiner Zielperson ein Leid zuzufügen. Den Auferstandenen musste ich, da er weder lebendig gewesen war noch eine Seele besessen hatte, meiner Ansicht nach nicht mitzählen.
Zwar sollte es noch Monate dauern, bis mir der Name anhaftete, doch war ich in diesem Augenblick mehr ein Königsmörder, als ich es je wieder sein würde. Ich glaubte wahrlich und wahrhaftig an mich als eine Art unbezwingbarer Waffe der Gerechtigkeit in Namaras Hand. Ich wusste , ich würde die Welt vom Bösen befreien. Das Gefühl hielt ungefähr dreißig Sekunden an.
Genauso lange dauerte es, bis mein Alarmbann ausgelöst wurde. Ein einzelnes, höllisches Heulen von oben verriet mir, dass gerade jemand die königliche Stube betreten hatte. Was bedeutete, dass ich verschwinden musste, ganz gleich, wie
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