Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
befestigte ich einen weiteren Satz Klapptürriemen an den Bodendielen des über mir liegenden Stockwerks, dieses Mal jedoch versehen mit einem Riegel.
Die Zeit lastete immer schwerer auf meinen Schultern. Wie die Durchbrüche in den Türen hinterließ auch der aufgelöste Putz eine Spur, die ich nicht auslöschen konnte. Trotzdem lauschte ich einige Minuten lang aufmerksam, ehe ich anfing, mir den Weg durch die Planken über mir freizuschneiden. Dazu benutzte ich eines meiner Schwerter, um schneller voranzukommen. Kaum hatte ich eine ausreichend große Öffnung geschaffen, löschte ich die Diebeslampe, entzauberte den Riegel und klappte die Falltür auf. Ich hörte ein Rascheln, gefolgt von einem leisen Aufschlag, als der Teppich von oben herunterfiel. Ich war drin.
Glücklicherweise war es oben so dunkel wie unten. Ich klappte die Lampe wieder auf und befestigte einen Bogen Papier mit einem Feuerbann an der herunterhängenden Falltür. Dann sprang ich, packte den Rand und zog mich hinauf in den Abtritt des Königs. Trotz des Loches im Boden war der winzige Raum muffig, da das Siegel über der Tür so dicht war. Das war einer der vielen Gründe, warum ich mich für das Risiko mit den Durchbrüchen entschieden hatte, statt einfach ein Loch in die Decke des Sitzungsraums zu schneiden.
Abtritte waren stets mit dicken, gut schließenden Türen ausgestattet, um die adligen Nasen zu schonen. Dieser Schutz jedoch verschonte auch die adligen Ohren vor den Geräuschenmeiner Annäherung. Und sie stellten ein ernsthaftes Hindernis dar. Ich hatte schlicht keine Möglichkeit festzustellen, was sich über dem Sitzungsraum befinden mochte. Doch aufgrund der Platzierung des zentralen Abwasserschachts hatten die Abtritte übereinanderliegen müssen, und die Gemächer über meinem ersten Zugang gehörten König Ashvik.
Mit gespreizten Beinen stand ich über dem Loch im Boden und drückte das Hörrohr an die Tür. Nichts wollte ich mehr, als schnell zu handeln, aber ich musste mich zuerst vergewissern, dass in der Stube kein Leibwächter der Elite lauerte. Meiner Ansicht nach musste ich eher im Gesellschaftszimmer mit einem Elitesoldaten rechnen, am ehesten sogar in einer Nische auf dem Gang gleich vor den königlichen Gemächern, aber ich wollte mir mein Vorhaben nicht durch pure Unvorsichtigkeit noch an dieser Stelle ruinieren. Erst als ich überzeugt war, dass der Raum verlassen war, öffnete ich vorsichtig die Tür.
Von dem dünnen Lichtstreifen abgesehen, der unter der Tür zu dem Raum hervordrang, der ein Stockwerk tiefer als Schlafzimmer gedient hatte, war es dunkel in der Stube. Dies war das gefährlichste Stadium meiner Mission: Hinter einer der Türen schlief vermutlich der König, hinter der anderen lauerten wahrscheinlich seine Elitewachen und ihre steinernen Hunde. Die Versuchung, dem König so schnell und leise wie nur möglich ein Ende zu machen, war beinahe überwältigend, doch stattdessen zog ich das linke Schwert und zwang mich, an der Tür zum Gesellschaftszimmer zu lauschen. Und dort hörte ich ...
Nichts.
Der Raum war leer. Ich sah nach dem Auge, das mir die Göttin für den König mitgegeben hatte. Es saß locker in seiner Scheide, bereit, sein Heim in der königlichen Brust zu beziehen. Rasch trat ich zu der Schlafzimmertür. Von drinnen hörte ich leise Geräusche, ein Knarren, wie Möbel es von sich geben, wenn man sein Gewicht verlagert, den einen oder anderen Atemzug ... derKönig war dort, und wahrscheinlich war er wach. Die Tür öffnete sich in den Nebenraum, und die Türangeln befanden sich auf der linken Seite, also wechselte ich mit dem Schwert zur rechten Hand.
Jetzt!
Ich drückte die Klinke und stieß rasch die Tür auf. Ashvik saß am Rand einer Chaiselongue vor dem Fenster und blickte über den Palast hinaus. Mir hatte er den Rücken zugekehrt.
»Ich sagte doch, ich will nicht gestört werden«, grollte er, ohne sich auch nur umzudrehen. »Wenn du mir nicht wenigstens eine Invasion aus Kodemia zu melden hast, lasse ich dich bei lebendigem Leibe sieden. Vielleicht gleich da drüben im Bade.« Er zeigte auf eine große, rote Marmorwanne in der Ecke.
Ich zog das zweite Schwert aus der Scheide.
»Also«, forderte er, »spuck’s aus. Warum bist du gekommen?«
»Um Euch der Gerechtigkeit zuzuführen.«
»Was!« Ashvik wirbelte auf seinem Sitzplatz herum. »Ich ...«
Seine Worte endeten in einem heiseren Gurgeln, als ich ihm ein Schwert in die Brust und das andere in den Hals rammte.
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