Die Zerbrochene Kette - 6
Familie ausgesucht hat, was Lanilla Ende des Winters tun wird. Ich fragte sie, wie ihr Zukünftiger sei. Sie antwortete, das wisse sie nicht, und meinte: ›Kommt es darauf an?‹ Ihr ist es genug, daß sie ein eigenes Heim und einen Ehemann bekommt. Möchtest du einmal heiraten, Margali?«
Magda erinnerte sie freundlich: »Ich war verheiratet.« »Aber nur kurze Zeit…«
»Als ich heiratete, wußte ich nicht, daß es nur für
kurze Zeit war.« Magda durchfuhr der alte Schmerz. Sie hatten so viele Pläne für eine gemeinsame Zukunft gemacht!
»Sag mir: Wenn du ein Kind gehabt hättest, wärest du dann bei ihm geblieben? Glaubst du, das könne ein unzerreißbares Band sein?«
»Meine Mutter war dieser Meinung«, antwortete Magda sinnend. »Sie folgte meinem Vater auf vier verschiedene Welten. Dann kamen wir hierher, und ich wurde geboren, und sie machte immer einen zufriedenen Eindruck.«
»Zufrieden allein damit, ihm ein Heim zu bereiten?
Ist das eine Art im Imperium?«
»Sie war Musikerin«, berichtete Magda. »Sie spielte
mehrere Instrumente und schrieb Lieder. Auch hat sie
viele Berglieder in die Standardsprache des Imperiums
übersetzt und Melodien für Gedichte auf casta komponiert. Aber mein Vater war immer der Mittelpunkt ihres
Daseins. Nach seinem Tod verlor sie alle Lebensfreude
und befaßte sich nur noch selten mit ihrer Musik. Sie
lebte nicht mehr lange.«
»Als Rohana Dom Gabriel heiratete, hatte sie ihn erst
zweimal gesehen«, sagte Jaelle nachdenklich. »Ich fand
es fürchterlich, einem Mann überantwortet zu werden,
den man kaum kennt, mit ihm zu schlafen, seine Kinder
zu gebären. Das ist doch nichts Besseres als legitime
Sklaverei oder Vergewaltigung! Aber als ich Rohana
das sagte, lachte sie mich aus und behauptete, jeder
Mann und jede Frau könnten, solange sie nur Gesundheit und den guten Willen mitbrächten, miteinander auskommen und sich das Leben angenehm machen. Sie pries sich glücklich, daß er anständig und freundlich und um sie bemüht sei, kein Trunkenbold oder Spieler oder Liebhaber von Männern, wie es so viele Ardais sind. Mir kam das so vor, als freue sich ein Mann, der Schläge mit einem Stock bekommen hat, darüber, daß es keine Pferdepeitsche war…« Immer noch wickelte sie das Band abwechselnd um ihre Handgelenke. »Und nun ist er in Wahrheit der Mittelpunkt ihres Lebens. Ich verstehe das nicht, obwohl er mir mit den Jahren sympathischer wird. Andererseits glaube ich manchmal, daß Rohana ebensoviel Freiheit hat wie eine von uns, daß sie tut, was
sie will, und auf wenig verzichtet hat…«
Sie zog eine feste Schlinge um ein Handgelenk und
begann, das lose Ende um den anderen Arm zu winden.
»Margali, hast du dir ein Kind gewünscht? Warum hast
du keins? Du bist doch nicht unfruchtbar, breda?« »Ich wollte das Kind nicht gleich«, antwortete Magda.
»Wir reisten zusammen; es sollte uns nichts trennen.« Es
war Anlaß zu einem erbitterten Streit gewesen. Sie
wandte das Gesicht ab. Daran konnte sie auch jetzt noch
nicht ohne Qual zurückdenken.
Jaelle berührte leicht ihre Hand. »Ich wollte nicht
neugierig sein.«
Magda schüttelte den Kopf. »Später, als wir übereinkamen, uns zu trennen, war ich froh, kein Kind zu haben,
das mich erinnert hätte… «Aber hätten wir uns dann getrennt? Die Berührung von Jaelles Hand verstärkte den
Kontakt, und Magda ertappte sich bei dem Gedanken:
Ist sie schwanger? Glaubt sie, sie sei es, wünscht sie sich,
es zu sein? Doch alles, was sich von Jaelle auf sie übertrug, war… Einsamkeit, Angst. Ich dachte, Jaelle sei so
glücklich.
Magda wußte, daß sie mit ihrer erwachten übersinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit – Rohana nannte sie Laran – die Berührung dazu benutzen konnte, herauszufinden, ob Jaelle schwanger war. Der Gedanke ängstigte sie. Sie wollte nicht auf diese Weise schnüffeln, sich aufdrängen. Schnell ließ sie Jaelles Hand los, als hätten die schlanken Finger sie verbrannt, und verfing sich in dem Band, das Jaelle abwechselnd um ihre Handgelenke geschlungen hatte. Überrascht fragte sie: »Was in aller Welt tust du denn da?«
Jaelle starrte erschrocken auf das Band. Sie löste es und warf es entsetzt und angewidert quer durchs Zimmer. Als habe sie entdeckt, dachte Magda, daß sich eine Giftschlange um ihre Handgelenke schlinge!
»Jaelle! Was ist, Schwester?« Der liebevolle Ausdruck kam ihr jetzt leicht über die Lippen, aber Jaelles augenblickliche Verwundbarkeit war schon wieder hinter einer Barrikade aus
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