Die Zerbrochene Kette - 6
darstellen und daß du sie sehr gut kompensiert hast. Wahrscheinlich könntest du, wenn du wolltest, den Gebrauch von Laran mit Leichtigkeit erlernen, und es wäre interessant zu sehen, welchen Nutzen eine Terranerin aus dieser Ausbildung zieht. Ich würde den Unterricht gern übernehmen, obwohl das vermutlich mehr Aufregung stiftete, als die Sache wert ist. Du hast anderswo Pflichten, und handelte ich Lorills Willen noch mehr zuwider, wäre das unklug. Trotzdem«, setzte sie beinahe sehnsüchtig hinzu, »nach dem Gesetz dürfen weder deine Geburt noch deine Abstammung als Gründe benutzt werden, dir die Ausbildung zu verweigern, und ich wäre die le tzte, sie dir vorzuenthalten, falls du sie wünschst.«
Magda erklärte fest: »Ich glaube, ich habe schon genug Probleme ohne das!«
Rohana legte ihre Finger mit dieser federleichten Berührung auf Magdas Handgelenk, die, wie Magda ahnte, eine Eigenart von Telepathen unter sich war. »So sei es, liebes Kind. Nur mußt du mir versprechen, daß du zu mir kommst, wenn du jemals Schwierigkeiten mit deinem Laran hast.«
Sie betrachtete Magda forschend. »Wenn Lorill unrecht hat – wenn es bewiesen werden kann, daß das, was er von deinem Volk glaubt, falsch ist –, dann brauche ich dir nicht auseinanderzusetzen, was es für deine und meine Welt bedeutet.«
Magda mit ihrer erhöhten Sensibilität, mit dieser Kraft, die sie immer »Ahnung« genannt hatte und die ihr Wahrnehmungsvermögen schärfte, schien es in diesem Augenblick, als empfange sie das Bild in Rohanas Geist: Eine große verbarrikadierte Tür, die sich langsam zwischen zwei voneinander abgeschnittenen Welten, zwei Völkern öffnete und den Blick auf eine helle, sonnenbeschienene Landschaft freigab. Magda dachte: Wir sollten ein Volk sein, nicht zwei Völker… dafür würde ich alles tun…
Rohana sagte langsam, eher, als denke sie laut, und doch wußte Magda, daß sie ihre Gedanken teilen sollte: »Hast du nicht auch den Eindruck, Margali, daß hinter dem allem ein Plan steckt? Daß es von allen Terranern auf unserer Welt gerade dein Freund ist, der leicht mit meinem Sohn verwechselt werden kann, so daß Rumal di Scarp ihn gefangennahm? Ich selbst lasse mich auf den ersten Blick immer noch täuschen und muß nach ihren Händen sehen, um mich zu vergewissern, bis einer von ihnen zu sprechen beginnt. Kommt es dir nicht phantastisch vor, daß du von allen Amazonen Darkovers ausgerechnet Jaelle in die Hände gefallen bist und daß ihr beiden durch Gefahren gehen mußtet, die euch zu geschworenen Freundinnen gemacht haben?«
Magda empfand Unbehagen. »Zufall, Lady.«
»Ein Zufall vielleicht. Zwei Zufälle sind auch noch möglich. Aber so viele wie Perlen auf einer Schnur? Nein, dies ist mehr als Zufall, meine Freundin, oder wenn doch, dann ist ›Zufall‹ nur ein anderes Wort für die Absichten der Macht, die die Geschicke der Menschheit lenkt.« Sie lächelte und wurde wieder praktisch. »Jetzt muß ich dich um etwas bitten, Kind. Willst du gegenüber deinen Freunden und deinen Vorgesetzten in der Terranischen Zone schweigen, wenigstens bis ich eine Chance gehabt habe, mit Lorill zu sprechen?«
»Das will ich.« Magda stellte sich vor, welch ein Gesicht Montray schneiden würde, sollte sie versuchen, ihm zu erklären, daß die Matrix-Operation Jaelles Wunde innerhalb von ein paar Minuten geheilt hatte oder daß sie selbst nach Lady Rohanas Meinung ebenfalls Laran besitze. Falls dies Thema jemals zwischen Darkovanern und Terranern zur Sprache gebracht wurde, war sie nur zu gern bereit, das jemand anderem zu überlassen – und sie hoffte, es würden sich dann aufgeschlossenere Zuhörer finden als Russell Montray!
Rohana erhob sich. »Geh nun, Margali. Ich muß darüber nachdenken und entscheiden, was zu tun ist.«
Magda zögerte. »Und was soll ich Lady Alida sagen?«
»Mach dir ihretwegen keine Gedanken. Ich werde ihr sagen, ich hätte dich selbst getestet.« Rohana lächelte verschmitzt. »Weißt du denn nicht, daß ich es eben getan habe?«
Der Blizzard dauerte noch einmal zehn Tage – genau wie Dom Gabriel es vorausgesagt hatte –, und als es sich endlich aufklärte, waren Wege und Pässe so von Schneewehen blockiert, daß sich die drei Gäste auf Ardais gern überreden ließen, noch ein paar Tage zu bleiben. Doch Magda bereitete sich seelisch auf ihre Abreise und ihre ungewisse Zukunft vor. Es war ihr unmöglich geworden, ihr altes Leben in der Terranischen Zone wiederaufzunehmen und sich nur in
Weitere Kostenlose Bücher