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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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eindringen zu müssen, machte mich glauben, dass ich sehr bald meinem Tod ins Auge blicken würde.
    Zum Glück blieb mir wenig Zeit, um darüber nachzudenken, denn schon am Tag nach dem Erhalten meines halben Geschenks betraten wir die Frijheid erneut. Überall, wo weder Nebel noch Schneewolken hingen, war mittlerweile sicherlich bereits Juli, und in Aquis hatten sie nun einen kurzen Sommer und würden das Wintergetreide ernten.
    Margaret schloss mich in ihre Arme und atmete ihren Cognacduft in meine mottenzerfressenen und sicherlich auch verlausten Kleider.
    „Du bist der einzige feine Herr, den’s auf Hochgotland je gegeben hat“, sagte sie gerührt und schnäuzte sich.
    „Aber ihr habt mich zu einem Freibeuter gemacht. Schämt euch!“, lachte ich und erwiderte ihre Umarmung herzlich.
    „Hab mir gedacht, ich bring dir was Hübsches mit. Zum Abschied.“ Umständlich griff sie unter ihren weiten abgewetzten ledernen Mantel und zog einen zusammengefalteten Seidenzylinder hervor. „Da. Is was ganz Feines.“
    Mit einem Schlag ihrer Hand entfaltete sie den Hut und setzte ihn mir auf den Kopf. „Ein feiner Herr auf Luftreise. Und das hier gibt’s noch dazu.“ Sie hielt mir einen einfachen Spazierstock aus dunklem Holz entgegen. Der Messingknauf glänzte poliert.
    „Du weißt, dass ich aus einem Luftschiff springen werde. Mit den Flügeln.“
    „Ja, das weiß ich wohl. Aber du kannst die Sachen ja dort lassen. Und denk dran, dass du für den zweiten Flügel wiederkommst, Junge. Ich wünschte, wir hätten den Ærokopter fertig bekommen, aber du hast wohl recht, dafür brauchen wir diese Gasbatterie.“
    „Der Stock – ist er … ist er eine deiner Erfindungen?“
    „Aber ja, eine immens wichtige sogar.“ Sie grinste. „Wenn du den Knauf abschraubst, ist feinster Cognac darin, der dich in schwachen Stunden stärken kann.“
    Leicht enttäuscht nickte ich, woraufhin sie erneut breit grinste. „Dann – lebt wohl, ihr alle! Kehrt mir heil zurück!“
    Als die Frijheid sich vom Ankermast entfernte, winkten wir mit Tüchern den wenigen zu, die gekommen waren, um uns zu verabschieden. So manche Hure winkte mit ihren weißen Armen Adieu, und so mancher Æronaut seufzte sehnsüchtig neben mir.
    Wir hatten eine weite Reise vor uns.

    Als die Nacht hereinbrach, hatten wir die großen Hansestädte weiträumig umgangen und querten Dænemark, welches Friesenland war, Richtung Nordwesten, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Wir würden das Morgengrauen über den friesischen Inseln erwarten, um die anderen Flottenteile zu uns stoßen zu lassen, aber dieser längere Aufenthalt nahe der Küstenlinie war der heikelste Augenblick, und daher löschten wir unsere Scheinwerfer und hingen beinahe lautlos in der sternklaren Nacht. Unter uns rauschte das nun eisfreie Meer – unruhig spiegelten sich die Sterne in der wilden Schwärze Ekkenekkepens.
    Schweigend saß ich mit Tomke und Tjarko im Steuerstand, und wir blickten hinaus und hielten Wache.
    Ich hatte einen Bogen Papier und einen Kohlestift auf den Knien und starrte hinaus mit dem Bedürfnis, das ganze Blatt einfach nur zu schwärzen und die Endlosigkeit der Dunkelheit einzuatmen. Ich wurde müde, und das Hautbild brannte auf meinem Rücken.
    Tjarko weckte mich aus meinem schweigenden Zustand des Dahindämmerns, als drei Likedeeler uns bei unserer stetig unaufmerksamer werdenden Wacht ablösten.
    „Komm“, sagte Tomke mit ihrer kratzigen Stimme und nahm meine Hand. Eine Gänsehaut lief über meinen Rücken, das leere Blatt und der Kohlestift fielen zu Boden, und ich ließ sie dort.
    Schweigend brachte sie mich zu einer Kabine, in der drei unbequeme leere Pritschen standen – die Decken zweier waren jedoch zerwühlt, so dass ich annahm, dass die, die dort geschlafen hatten, bereits zur nächsten Deckschicht abberufen worden waren. Hand in Hand standen wir in der Kabine im Inneren der großen Lufthülle und horchten auf die Laute des Schiffes – das Ächzen des Axialstegs, um den herum sich Kammern und Gerüst des Luftschiffs erstreckten. Fußtritte auf den Leitern. Gewechselte Worte, die ihre Form verloren hatten, als sie bei unseren Ohren anlangten. Tomke sah mich verlegen an.
    „Ich … ich dachte, wir könnten nochmal nebeneinander schlafen, so wie auf Hochgotland“, murmelte sie.
    „Heißt das irgendwie, dass wir Abschied nehmen werden?“, fragte ich unbehaglich.
    „Hoffentlich nur für ein paar Stunden“, flüsterte sie.
    Sie umarmte mich endlich, und

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