Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
du, wenn … danach.“
„Hautbilder sind eine Sitte, die von rohen … Umgangsformen und fehlendem Anstand spricht. Sie sind barbarisch“, gab ich zu bedenken.
„Ja, das stimmt. Nimmst du das Geschenk, oder nimmst du es nicht?“
Ich nickte mit zusammengepressten Lippen, und diese winzige Bewegung zauberte ein strahlendes Lächeln auf Tomkes Gesicht.
„Sei bloß vorsichtig, dass du dich nicht nur verschandeln lässt, um einem Frauenzimmer zu gefallen“, empfahl Ynge, und ich musste ihr insgeheim recht geben.
„Aber es sind Æmelies Flügel“, sagte ich leise, und Tomke und Margaret tauschten einen Blick.
„Du hast gesagt, es tut nicht so weh, wie man sagt.“
„Natürlich nicht. Sie bauschen es auf, damit man Achtung vor ihnen hat. Harte Männer.“
„Bist du sicher? Hast … hast du Erfahrung?“
„Eine sogar an einer besonders schmerzempfindlichen Stelle. Ich zeige es dir bei Gelegenheit.“
Margaret kicherte, und ich ahnte, warum.
„Ich bin so gespannt darauf, Margarets Nadelgerät auszuprobieren!“ Bei ihrem beinahe kindlich-begeisterten Lächeln gefror mir das Blut in den Adern.
„Wird … wird Margaret es nicht malen?“
„Sie malt es auf deinen Rücken, und ich steche es dann. Ich habe schon Hautbilder mit Nadel und Faden gemacht, auf Helgoland.“
„Beruhigend“, ächzte ich und fand es zutiefst verstörend.
„Ich bin ehrlich sehr gut darin!“
„Natürlich, du bist ehrlich sehr gut … in allem“, schnaufte ich und wand mich unter den Blicken der Damen.
„Du wirst dich ausziehen müssen. Zumindest zur Hälfte“, empfahl Margaret.
„Obere Hälfte“, kicherte Tomke unnötigerweise, und mit zitternden Fingern kam ich der Aufforderung nach, wobei ich mich beschämt zur Wand drehte. Meine Hände waren schweißnass.
„Du lässt dir den Rücken vollmalen?“, fragte Ynge, als ich sie mit dem Mantel zu Boden gleiten ließ. Ein Kind im Krabbelalter robbte neugierig auf die Puppe zu, und ich hob sie eilig hoch und deponierte sie auf Margarets Bücherregal.
„Du sagst mir währenddessen, wie du es findest. Es ist … es ist so verdammt heiß hier drin!“ Vorwurfsvoll blickte ich in die Runde, und Tomkes Wangen waren tatsächlich auch ein wenig gerötet vor Aufregung.
„Setz dich auf den Stuhl.“
„Da … ist ein Stuhl?“
Schnaufend räumte Margaret aufgeschlagene Bücher, Stoffreste und mit metallen klimperndem Inhalt gefüllte Beutel von etwas herunter, das sich tatsächlich als Stuhl entpuppte.
„Wird zwischendurch das Licht ständig ausgehen?“, machte ich einer meiner zahlreichen Befürchtungen Luft.
„Nein, nein, Stenni kurbelt Ersatzhamster auf, er ist ein zuverlässiger Junge.“
Er schien zumindestens ein sehr unauffälliger Junge zu sein, denn ich musste einige Augenblicke suchen, bis ich den etwa Neunjährigen inmitten all des Plunders fand.
„Jetzt setz dich schon!“
Es dauerte, bis Margaret alle Details ihrer Flügelzeichnung auf meinen Rücken übertragen hatte – und dabei hatte es noch nicht einmal angefangen wehzutun. Ich seufzte schicksalsergeben.
„Wie findest du es?“, fragte ich Ynge, und Ynge sagte: „Naja. Dein Rücken scheint fast zu klein für diese Schwinge. Sie müsste über deinen Kopf hinausgehen.“
„Nein, danke.“
„Sprichst du wirklich mit deiner Puppe?“, fragte Margaret, und als ich nicht antwortete, erläuterte sie Tomke, dass sie als Rechtshänderin von rechts nach links vorgehen musste, um den Kohlefettstift auf meinem Rücken nicht zu verreiben.
„Zeigst du es mir nochmal?“, fragte Tomke mit vor Aufregung bebender Stimme.
„An mir?“, fragte ich in einem Anflug von Panik.
„Ganz ruhig. Tomke kann das. Wir fangen … hier an.“
Finger strichen über meinen Rücken. „Ich halte die Haut straff, dann kannst du dich auf das Stechen konzentrieren.“
„Ich will, dass Margaret es macht!“, schrie ich auf, doch da ertönte auch schon das bedrohliche Stottern der Nadel, ein Summen und Sirren wie von wütenden Bienen, und ohne Vorwarnung durchzuckte mich ein Schmerz, als ritze die Spitze eines kleinen Messers über meine Haut. Ich lachte erleichtert auf. „Das … das tut wirklich nicht besonders weh!“
„Warte ab, es gibt Stellen, da wird es weh tun.“ Einige euphorische Augenblicke später wurde mir schwarz vor Augen. Ich ließ meinen Kopf auf die gnädige Tischplatte vor mir sinken und stöhnte, als alles Blut mich zu verlassen und zu meinen Zehenspitzen in die üppigen Teppiche zu fließen
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