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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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schien.
    Eine Hand tätschelte mich. „Das geht gleich wieder. Das ist nur eine kurze Schwäche, geht den fettesten Matrosen so.“
    Unbeeindruckt stach Tomke weiter. Und weiter. Und endlos weiter, bis ich dachte, nur noch aus Nadelstichen und wunder Haut zu bestehen. Hamster ratterten in Rädern, Glühlampen flackerten unstet. Das Gerät summte und sirrte und verletzte mich. Die Trance des kurzen Schwächeanfalls wurde von einer zunehmenden Langeweile abgelöst, und diese wiederum von einem gedankenlosen Gefühl der Zeitlosigkeit.
    Finger zeigten,Worte fielen, letzte Striche wurden gezogen.
    „Es ist fertig“, sagte Ynge.
    „Ja, und?“, fragte ich.
    „Ich sollte wirklich den zweiten Flügel abwarten, bevor ich es beurteile.“
    „Ich finde es sehr gut“, sagte Margaret, die erneut nicht begriff, dass ich mit der Puppe sprach. „Ich hole dir einen Spiegel.“
    Während sie hinausging, reckte ich mich, spürte der malträtierten Haut nach und wandte mich aus der verspannten Haltung Tomke zu, die blass und erschöpft aussah. Sie hielt immer noch das Nadelgerät in der Hand, das an eine große Batterie angeschlossen war – eine galvanische Primärzelle, die Vorgängerin der Gasbatterie. Ein Lächeln stahl sich in Tomkes Augen. „Bist du zufrieden?“, fragte ich sie.
    „Ich habe noch Angst. Ob du zufrieden bist.“
    Das Licht erlosch – der kleine Stenni schnarchte leise in der Ecke. Hände tasteten nach meinem Gesicht, dann spürte ich Lippen auf meinen.
    „Wir kommen hierher zurück, oder?“, fragte sie, so nah an meinem Atem. Ich nickte. „Aber ja. Du schuldest mir was. Ein halbes Geschenk ist … naja … halb.“
    Sie küsste mich, und ihre Lippen, ihre Nase, ihr Kinn, ihre Hände, alles war voller Versprechungen.
    „Nein, und jetzt ist’s dunkel!“, polterte Margaret und hob die kleine Petroleumfunzel, die neben dem Hamsterrad auf dem Boden stand. Sie drehte sie heller, und wir fuhren ertappt auseinander.
    Sie trug einen großen Spiegel, der übersät war mit den Finger- und Handabdrücken kleiner Kinder, und ich verdrehte mir den Hals, um das Hautbild zu betrachten.
    Ja, auf der rechten Hälfte meines Rückens prangte ein mechanischer Flügel, eine filigrane, mit Tuch bespannte Schwinge, wie nur die kühnsten Geister sie ersinnen konnten. Ich grinste ziemlich breit und ziemlich dumm. „Das … das ist … hm … schön.“
    Tomke quietschte vor Freude, und auch Margaret strahlte über beide Pausbacken.
    „Herr von Erlenhofen. Sie sind jetzt ein Pirat“, freute sie sich diebisch.
    „Nie im Leben“, bemerkte Ynge jedoch vom Bücherregal. „Aber ein Æronaut auf alle Fälle.“

    Der Tag des Aufbruchs war gekommen. Ich war ein wenig beunruhigt, denn Tomke hatte zwar tatsächlich eine kleine Flotte bezahlter oder rachedurstiger Piraten um sich gesammelt, die Æsta vielleicht zumindest standhalten konnte – ob sie die Stadt auf dem Eis zu bezwingen vermochte, daran wagte ich noch zu zweifeln – doch von ihrem Plan hatte sie mir gerade einmal eine Winzigkeit erzählt. Vielleicht gab es aber auch nur diese Winzigkeit, und alles andere wurde dem Zufall und dem mächtigen Wöda überlassen.
    Es war nicht so, dass ich ihr ein solch spontanes Vorgehen nicht zugetraut hätte.
    Die Helgoländer würden zu uns stoßen, sobald wir uns über der Nordsee befanden. Doch sicherlich würde die Hanse auf eine große Ansammlung von Luftschiffen aufmerksam werden, und Tomke rechnete damit, die Flotte bereits vor Norwegen teilen zu müssen, um die Hanseschiffe in die Irre zu führen und Æsta nicht vorzuwarnen.
    Vor der schwimmenden Stadt schon würden sich unsere Wege trennen – denn die Rettung meiner toten Frau würde ich im hoffentlich ausbrechenden Chaos selbst übernehmen, während Eiken das Ætherlot ausschalten würde, um die angreifenden Schiffe unsichtbar zu machen. Wir beide würden mit den Flügeln vom Schiff starten.
    „Warum Eiken?“, hatte ich gefragt. „Warum fliegst du nicht mit den Flügeln? Du kannst es viel besser und hast häufiger geübt!“
    „Ich muss auf dem Schiff bleiben, ich habe ja auch die Leute angeworben, und sie werden unruhig, wenn ich nicht mehr da bin.“ Sie hatte den Blick gesenkt. „Du musst nicht mit hinunter. Wir … holen deine Frau später.“
    Die Antwort war nur zögerlich über meine Lippen gekommen. „Auf dem Schiff bin ich zu nichts nutze. Auf Æsta kenne ich mich immerhin ein wenig aus.“
    Aber die Tatsache, erneut in Professor Roþblatts Sanktuarium

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