Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
ich mir sicher, war sie so schön wie niemand sonst. Ich breitete eine Decke aus und zog sie darunter, und wir lagen nebeneinander und genossen das Gefühl, sich selbst kalt zu fühlen und doch warm zu sein für den anderen.
„Hat Gräfin Elsbeð dich eigentlich verführt?“, kicherte Tomke in mein Ohr.
„Oh Gott!“, flüsterte ich, und sie lachte laut auf.
„Sie ist … ganz und gar schrecklich!“, teilte sie mir dann mit gespielt ernsthafter Miene mit. „Ich hoffe, sie war nicht zu unsittlich, du bist ja ein empfindsamer Kerl.“
„Hör auf zu reden. Bitte.“ Meine tastenden Finger hatten innegehalten, gefangen von der Erinnerung an die Gräfin. Ich zog die Decke ein Stück herunter, um mit dem Anblick von Tomkes Körper diese Gedanken zu vertreiben. Sie drückte sich wärmesuchend an mich, ihre weiche weiße Haut fühlte sich in höchstem Maße wundervoll an, und das Atmen fiel mir schwer.
„Das wollte ich schon immer“, gab Tomke flüsternd zu. „Aber sag, ich habe dir Zeit gelassen, oder?“
Ich nickte und küsste sie und betastete das Hautbild auf ihrer Brust, fand ihren Bauchnabel und die Löckchen in ihrem Schoß. Sie seufzte, lächelte und sah mich mit glänzenden Augen an, als freue sie sich über mich. Sie war weich und warm und feucht und ganz und gar richtig.
Nach endlosen Momenten der Liebkosung fanden wir zusammen, sie zog mich über sich, und ich war erstaunt, begierig und froh zugleich. Tomke kicherte über alles, was ich tat und sagte, über jeden Kuss und jede Zärtlichkeit, und sie überschüttete mich mit dieser eigenartigen Liebe, die sie für mich empfand. Als ich mich ganz in ihr verlor und auflöste, da sanken wir ineinander, als wären wir ein einziges Wesen, und die Laute, die wir von uns gaben, waren nur für das Ohr des anderen bestimmt. Aber das dauerte nur einen Moment, und kurz darauf wurde ich mir wieder bewusst, dass wir zwei verschiedene Menschen waren, und dass wir uns trennen würden, und dass mit recht großer Wahrscheinlichkeit mindestens einer von uns beiden sterben würde. Ich stöhnte unter dem Schmerz auf, und in ihren Augen glänzten Tränen, zugleich vor Lust und Traurigkeit.
Wir trennten uns schweigend und schmiegten uns aneinander, wie wir es nun schon seit einer halben Endlosigkeit des Nachts taten.
„Ich will nicht … allein sein“, vertraute ich flüsternd der Dunkelheit an, und Tomke umschlang mich mit ihren Armen.
Die Einsamkeit eroberte uns mit den Rufen im Morgengrauen zurück. Hastig kleideten wir uns an, während durch das Sprechrohr bereits durchgegeben wurde, dass sich die Flottille der Likedeeler versammelt hatte – wie vermutet war jedoch auch abseits der vielbefahrenen Routen ein Patrouillenboot der Hanse gesichtet worden, und nun hieß es, sich darauf vorzubereiten, dass gut gerüstete Hanseschiffe die Piraten verfolgen könnten. Die Dampfmaschinen wummerten wieder, die Propeller trieben das Luftschiff in den Norden – und an einem Abend, der so weit im Norden sehr spät erst hereinbrechen würde, würden wir Æsta erreichen.
Æsta hatte seinen Standort verändert – doch das war offenbar bereits bekannt und für günstig befunden worden, denn die Maschinen, die an Land die Rohstoffe freilegen sollten, produzierten Schwaden von Rauch und Dampf, die sich mit der niedrig hängenden Wolkendecke vereinten. Ich starrte aus einer kleinen Luke hinaus – eine Faust bohrte sich in meinen Magen, und ich hielt Ynge im Arm.
„Du bist nicht allein“, sagte sie leise.
„Bist du mir böse?“, fragte ich.
„Nein, es ist schon in Ordnung.“ Trotzdem kam sie mir traurig vor, und auch ich war traurig, denn es ist nicht leicht, herauszufinden, wie sehr man jemanden mag, wenn man gleichzeitig noch jemand anderen so verzweifelt liebt. Vor allen Dingen, wenn diese Andere tot ist und einen niemals mehr zurücklieben wird.
Vielleicht würde ich den Weg zu ihr finden. Vielleicht würde ich sterben, und dann würde ich wenigstens mit ihr zusammen sein – auf einem staubigen Speicher, auf dem sprechende Puppen und Schaukelpferde, von denen die Farbe abblätterte, warteten.
Tomke hatte gesagt, wir könnten Æmelie suchen, wenn der Angriff auf Æsta erfolgreich war. Doch wenn sie das Ætherlot zerstörten, würde vielleicht der Turm der Irrenanstalt einstürzen. Dann wäre Æmelie für immer im Inneren des Eisberges einschlossen, und – oh Gott, die armen Seelen, die dabei, eingesperrt und unschuldig, sterben würden! Nein, ich konnte nur
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