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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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knarzte und das Segeltuch knallte manchmal bedrohlich unter den trommelnden Fingern der Lüfte, die uns erproben wollten.
    Was hatte Eiken noch wenige Minuten zuvor gesagt? „Ich denke, wir können froh sein, wenn wir auf dem Scheißeisberg landen und nicht im Meer“.So sollte es also sein, so wollten es der mächtige Þor und vielleicht auch der liebe Gott.
    Eiken brachte eine kleine Kurve zustande, die ihn nicht auf die qualmenden Fabrikhallen zu Füßen der Ankermasten zuhalten ließ, sondern etwas weiter oberhalb auf die Flanke des Eisberges – ich jedoch hatte meine liebe Mühe. Æsta kam unweigerlich näher, jetzt schälten sich bereits einzelne Gebäude aus der Masse der Ziegel und Backsteine, einzelne Straßen, die in das Eis des Berges getrieben waren. Es würde nicht lange dauern, bis ich Menschen sehen würde – und diese vielleicht mich. Doch eine Hoffnung blieb mir – obgleich es noch hell war, kündeten die Chronometer bereits von der Nacht, und die Menschen würden sich an diese halten, oder? Die meisten von ihnen würden schlafen und mit geschlossenen Läden das Licht der zäh sinkenden Sonne aussperren. Über uns lag immer noch die niedrige Wolkenschicht, und die Sonne malte durch diese Schleier hindurch rosafarbene Schatten und verwirrende Lichtpunkte auf die See. Wir schwebten näher, wie seltsame Vögel, unwirkliche Schmetterlinge. Der Wind pfiff in unseren Ohren, wurde bedrohlich laut. Er brach sich am Eisberg und fügte sich zerschnitten zu Wirbeln zusammen.
    Der höchste Turm – der Turm des Spitals – ragte auf wie ein mahnender Finger, doch es würde unmöglich sein, auf seiner Spitze zu landen. Wir würden bei dem Versuch an der Backsteinmauer zerschmettert werden. Eiken wagte es, verlagerte das Gewicht nach hinten und riss die Flügel hoch, wodurch der Gleiter kurz unkontrolliert durch die Luft glitt, ein Stück stieg und sich dann wieder fing. Ich rauschte unter Eikens Flügeln hindurch – und dann waren wir heran, er über mir, auf der Höhe der schneeglitzernden Flanke, ich so niedrig, dass ich mir Glieder und Hals an Dachfirsten brechen würde. Ich schrie auf, verstummte, erschreckt von meiner eigenen Stimme, und dann fielen wir auf Æsta herab – weit weniger elegant als Michæl mit dem Flammenschwert, wie ich es einst gelobt hatte.

    Ich fiel, und die Welt wurde hart und grausam, eckig und schwarzweiß. Ein Flügel brach, als ich zwischen zwei Dächern der Straße entgegenschlitterte, der andere verhakte sich und riss mir mit einer Wucht den Arm auf den Rücken, dass ich hörte, wie er mir aus dem Gelenk gehebelt wurde. Der Schmerz durchzuckte mich erst später, nachdem ich in einem Gekreisch aus Aluminium, einem Geflatter aus gerissenem Tuch und meinem machtlosen Schrei auf dem Boden aufprallte.
    Mir wurde schwarz vor Augen, und eine Zeitlang dachte ich, die Sonne wäre doch so gnädig gewesen, unterzugehen.
    Ynges Stimme riss mich aus dem verlockenden Schwarz, das mich wie eine Welle überspült hatte. „Du musst dich losmachen! Uns!“, quietschte sie. Mein linker Arm war lahm und schlaff wie ein gebrochener Flügel, und ein Würgen kroch meine Kehle hinauf, als mich die Pein bei jeder kleinen Bewegung durchzuckte. „Bist du kaputt?“, brachte ich hervor.
    „Nein. Aber du.“
    Ich stöhnte, löste die Schnalle an meiner rechten Schulter, und als dieser Arm wieder frei war, tastete ich nach der Schnalle an der verdrehten linken Schulter. Ich keuchte vor Schmerz. „Ferdrait!“, schimpfte ich und presste Kiefer und Lippen zusammen. Wo war Eiken?
    Der Arm war frei, ich schnappte nach Luft und presste ihn an meine Seite. Mein linkes Augenlid zuckte, als der Schmerz bis dorthinein fuhr. Einhändig schnallte ich auch meinen Oberkörper vom Fluggerät los und kämpfte mich dann auf die Beine. Es glückte mir nicht, ich fiel vornüber auf die Knie – ich hatte bislang noch nicht bemerkt, dass ich mir einen Knöchel verstaucht hatte.
    „Margarets Spazierstock“, durchfuhr es mich, und ich musste wider alle Umstände lächeln. Als Glücksbringer oder Waffe war er gedacht, und jetzt taugte er einfach dazu, wozu er hergestellt worden war – als Stütze. Mit zitternden Fingern löste ich ihn vom Metallgestell und stützte mich schwer darauf, als ich auf die Füße kam. Den Beutel mit Dynamitstangen, der mir, ebenso wie Eiken, ans Gestänge geschnürt gewesen war, hatte ich offenbar verloren. Das würde das Eindringen in den Turm nicht einfacher machen.
    Ein Himmel wie an einem

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