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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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kühlen Frühlingsmorgen streckte sich über Æsta aus. Ich bewegte mich vorsichtig, mein rechter Fuß schmerzte beim Auftreten, mein Arm wurde langsam taub.
    So wollte ich jetzt in Professor Roþblatts höchstgesicherte Labore humpeln und Æmelies Leichnam herausholen?
    „Verdammt.“ Ich konnte nur hoffen, dass Eiken günstiger gelandet war, sein Dynamit noch bei sich hatte und zumindest das Ætherlot würde ausschalten können. Vielleicht erklomm er gerade die Spitze des Eisberges, um von dort aus seine explosiven Wurfgeschosse auf die Kuppel des Turms zu werfen. Ich hingegen konnte froh sein, wenn ich mich während des Angriffs der Likedeeler in Sicherheit bringen konnte. Ich sah traurig auf die zerstörten Flügel, die vor mir in der schmalen Gasse lagen, auf deren Untergrund das Eis glitzerte. Die beiden Häuser, die mich so unsanft in ihrer Mitte empfangen hatten, starrten mich mit stumpfen, fensterlosen Mauern an, und ich konnte wohl dankbar sein, dass es keine Zeugen für meinen Absturz gegeben hatte.
    Doch als ich gerade über diesen Umstand nachsann, hörte ich Schritte und Lärm von der Straße her. Mich schwer auf den Stock stützend, wich ich nach hinten aus, doch die Gasse fand sehr bald ein Ende – endete steil an der Flanke des Eisberges. Ich sah hinauf in der Hoffnung, dass Eiken sicher gelandet sein könnte, und mir eine rettende Hand reichte. Er tat es nicht. Ich sah keine Spur von ihm.
    Jedoch – obgleich der Lärm auf der Straße seinen Pegel hielt, drang niemand zu mir vor. Ich testete mein Fußgelenk aus, balancierte den Spazierstock in der Hand – er war die einzige Waffe, die ich den Schlagstöcken der Schutzmänner, den Musketen der Kanzlerwache und den seltsamen Repetiergewehren der Shellys entgegensetzen konnte. Ich schluckte. Die Reise war also so verlaufen, wie ich es befürchtet hatte. Ich war nun leider mausetot.
    Doch als ich mich gerade zögerlich damit abfand, ertönte nun doch Eikens Stimme, ich erkannte sie sofort, denn der friesische Einschlag fiel mir wieder auf, den ich vorher kaum noch wahrgenommen hatte.
    Ich hörte weder Schüsse noch Schreie, als Eiken in mein Sichtfeld trat.
    „Wie geht es dir?“
    „Ich … habe mir das ein oder andere … Es geht mir gut. Was bedeutet das?“
    „Das bedeutet natürlich, dass ich dich soeben verraten habe, aarem Knech. Du scheinst Roþblatt sehr wichtig zu sein.“
    „Das glaube ich dir nicht.“
    „Das würde ich an deiner Stelle auch lieber nicht glauben.“
    Er lächelte hinter seinem buschigen Bart.
    „Du bist Friese.“
    „Ich war vor allen Dingen Tomkes Mann.“
    „Das ist dir wichtiger als deine Ehre als Friese?“ Meine Stimme wackelte nicht einmal.
    „Ich verrate nur dich. Ehre ist auch nur ein Wort, oder? Also komm raus hier.“
    „Naja. Es ist ja deine Ehre, Eiken“, erwiderte ich achselzuckend. Humpelnd schleppte ich mich aus der Gasse, die Enttäuschung, die ich fühlte, hielt sich erstaunlicherweise in Grenzen – die Luftschiffe würden dennoch angreifen und Eiken und mich vielleicht mitsamt Roþblatts verdammtem Turm vom Antlitz des Eisberges tilgen.
    Aber Æsta wird nun wissen, dass sie da sind. Jetzt können sie nur verlieren gegen die Schiffe und Kanonentürme des Herzogs, der Fabrikanten – und der Hanse, die sicherlich auf kurz oder lang mitmischt.
    Zudem war meine Sache verloren. Ich hatte Æmelies Leichnam in Sicherheit bringen wollen, das Ölbild ihres Gesichts. Aber wenn alles einstürzte und der verdammte Eisberg im Meer versank, dann hatte ich auch, was ich wollte.
    Als ich aus der Gasse trat – in die Dämmerung einer eisigen Sommernacht – krachte etwas auf meinen Schädel herunter und beförderte mich in erneute schwarze Bewusstlosigkeit.

Die Hölle des Professor Roþblatt

    Blutiger Handabdruck auf Stoff
    E ine Nadel durchdrang die Hauptader meines Halses und spritzte mir etwas, das mein Herz rasen ließ und mich aus der Ohnmacht ans Tageslicht beförderte. Nein – es war kein Tageslicht, es war eine Glühlampe, deren Lichtstrahl mir, von einem spiegelnden Lampenschirm gebündelt, direkt ins Gesicht leuchtete. Dahinter war alles schwarz, und vielleicht war nun endlich eine kurze Nacht über Æsta hereingebrochen.
    Etwas schob sich zwischen mich und das Licht – auch das zum großen Teil schwarz, und ich blinzelte mit flachem, raschem Atem. Die Umrisse gewannen an Schärfe. Vor mir tanzte eine schwarze Haube auf ebenso schwarzem, straff zurückgebundenem Haar, das als dicker Pony seiner

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