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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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raschelte ohne Hoffnung in den Ritzen wie Papier. Ich drückte die Klinke herab, doch die Zelle war verschlossen.
    „Vielleicht ist sie hier. Vielleicht lebt sie noch“, würgte ich hervor, doch Ynge sah mich tadelnd an.
    „Æmelie!“, flüsterte ich. Knöchel klackerten gegen die Türen, Fingernägel schabten, Handflächen saugten sich schweißnass daran fest. Es waren fünf oder sechs verschlossene Türen, und vielleicht war nur hinter einer davon ein Geräusch, doch die dumpfe düstere Verlorenheit dieses Kellers ließ es zu einem misstönenden Konzert anschwellen. Ich torkelte weiter. Zu dem Schaben und Kratzen, dem Klopfen und Flüstern gesellte sich nun ein Geräusch, welches meine Nackenhaare aufstellte. Es war der wachhabende Laut der Teslaspulen. Ich war tief ins Herz vorgedrungen, und hier würde ich Erkenntnisse oder den Tod finden. Oder der Einfachheit halber beides.
    Ich schlang die Arme um mich selbst, quetschte Ynge dabei ein und wagte mich Millimeter für Millimeter weiter vorwärts in die Richtung des Spannungsfeldes, das den Gang bewachte wie der dreiköpfige Hund des Avernus ’ .
    Ynge war es, die mich auf den wuchtigen, mit einem Schlüsselloch versehenen Hebelschalter hinwies. Vergeblich zerrte ich daran – um die Teslaspulen zu besänftigen, brauchte ich den Schlüssel.
    Sie witterten mich, sie warfen einen blauweißen Blitz durch den Gang, vom Kopf einer Spule zum Sockel der anderen.
    Hier führte kein Weg vorbei – es sei denn, ich wollte als gekochtes Fleisch für die Leichenschändung des Professors herhalten. Nichts hatte ich in diesem Gang vorgefunden, außer den verschlossenen Zellentüren, nichts, was meinen Gedanken, die sich häufiger mit elektrischem Strom befasst hatten, als mir lieb gewesen war, eine Lösung bot.
    „Was tun wir nun, Æmelie?“, bat ich flüsternd meine Frau um Rat, doch die Puppe schwieg und blickte mich warnend an.
    In diesem Moment erscholl die kalte Stimme Satans, jedoch lauter als die meine. „Ja. Ich komme sofort hoch. Ich habe die Zwangseinweisung schon geschrieben, sagen Sie ihm einfach, er soll noch kurz warten.“
    Falls das Fräulein eine Antwort gab und diese durch irgendwelche Wunderwerke der Technik in die düsteren Katakomben übertragen wurde, vernahm ich sie auf jeden Fall nicht.
    „Ja. Wenn er von der Toilette wiederkommt.“
    Mit demselben Geräusch, das ich von den Teslaspulen am Eingang bereits vernommen hatte, wurde ihnen ihre bedrohliche elektrische Quelle entzogen, und sie waren nurmehr tote, mit dickem Kupferdraht umwickelte Zylinder, auf deren oberen Enden eine metallene Scheibe thronte, die noch vorhin den großen Gott Jupiter imitiert hatte.
    „Zurück! Schnell!“, presste Ynge hervor, und ich stolperte beinahe über meine eigenen Füße, als ich ihrem Befehl gehorchte und mich durch den Korridor zurückzog, in die Schatten nahe des Paternosters, die nicht von der flackernden Glühlampe erhellt wurden. Die spazierstockbewehrte Silhouette des Professors trat durch die Wehr der Teslatransformatoren, drehte dann auf meiner Seite des tödlichen Hindernisses den Schlüssel herum und klappte den Schalter herunter, um sie wieder einzuschalten. Ihre stillen Gestalten begannen leise zu summen, als das Leben des elektrischen Impulses in sie zurückkehrte. Die Glühlampe erlosch kurz, nur um danach erneut flackernd zum Leben zu erwachen.
    Ich presste mich in die Ecke, darum betend, dass das Monokel des Professors mich nicht in der Dunkelheit aufspüren würde, als er lediglich eine Armeslänge von mir entfernt stehen blieb, um auf den Paternoster zu warten. Das Glück war mir hold – er öffnete sogleich das zusammenschiebbare Gitter und trat in den Aufzug, der hier an seinem tiefsten Punkt angekommen war und zurück ans Licht kehrte. Kaum verschwand sein Kopf hinter der Linie der massiven, niedrigen Decke, herrschte Ynge mich an: „Jetzt! Lauf!“
    Ich lief. Ich lief durch den Korridor der Unterwelt, und das Summen der Teslaspulen wurde zu einem Sirren, wurde zu einem Brummen, wurde zu einem Hohnlachen in meinen Ohren, als sie zu alter Stärke zurückfanden. Ich warf mich mit einem niedrigen Hechtsprung hindurch, in der Illusion, dem Strom zu entkommen, wenn ich mich unter ihm hindurchlavierte.
    Wie die Schiffe, die das Ætherlot nicht erfasst …
    Es krachte in meinem Schädel und ein lautes Peitschen erfüllte den Raum, als der Blitz mich erwischte. Ich biss mir auf die Zunge, biss mir eine tiefe blutende Wunde hinein, als ich von

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