Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
geheißen.
Taramis fing das Haupt des Königs auf und setzte es wieder an seinen Platz. Anschließend sprang er mit Leviat vom Sockel herab, ein grimmiges Lächeln auf dem Gesicht. »Lasst uns schleunigst hier verschwinden. Vielleicht werden es uns die Kirries ja irgendwann danken, dass wir sie vom Großen Fresser befreit haben. Vorerst hoffe ich, wenigstens der Herrscher von Komana weiß unser Geschenk zu würdigen.«
Lurkons Vermächtnis hatte so seine Tücken. Im Moment erwies sich die Drachenaura für Taramis als durchaus nützlich. Das gelbliche Glühen erhellte die Tunnel besser als das Kalte Feuer. Falls sie unterwegs irgendwelchen Kirries begegneten, würde sich der vermeintliche Segen allerdings in einen Fluch verwandeln. In der Dunkelheit Schutz zu suchen, konnte er nämlich vergessen. Er hatte versucht, das verräterische Strahlen seiner Haut mit dem Geist zu beeinflussen. Seine Gefährten meinten, die Strahlkraft verändere sich bereits leicht. Ihm war nichts dergleichen aufgefallen. Wahrscheinlich wollten sie ihm nur Mut machen. Er war ziemlich niedergeschlagen, weil er sich wie ein wandelnder Leuchtstein fühlte.
Schweigend lief er neben Ischáh her, den umhüllten Stab Ez wie einen Wanderstock benutzend. Diesmal marschierte Bohan voran, wofür Taramis angesichts seiner Erschöpfung dankbar war. Hoffentlich blieben die Kirries nach Lurkons lautstarker Abschiedsvorstellung noch ein Weilchen in ihren Löchern und kamen nicht auf die Idee, die Ursache des Spektakels mit bewaffneten Suchtrupps zu erforschen. Sicherheitshalber hatte er sich, um die Hände freizubekommen, das Gewand aus Drachengewölle übergezogen. Er war mehr als einen Fuß größer als zu Lebzeiten der Kirriekönig Dov, weshalb Leviat an Taramis eher wie ein Hemd, nicht wie eine Tunika aussah.
Den Kampf mit Lurkon würde er sicher noch lange in den Knochen spüren. Als sein geballter Wille durch den Feuerstab ausgefahren war, hatte er einen Großteil seiner mentalen Kraft eingebüßt. Ihm war immer noch nicht ganz klar, wie es überhaupt dazu hatte kommen können. Fast schien es, als habe Ez von sich aus den rettenden Befreiungsschlag geführt. Eine beunruhigende Vorstellung.
Der Donnerreiter legte ein hohes Tempo vor, aber das war Taramis nur recht. Umso schneller würde er Shúria und Ari wieder in die Arme schließen. Seit einer guten Stunde wanderten sie jetzt durch die behauenen Tunnel.
Mit dem Tod des Großen Fressers war eine auffällige Stille ins Reich der Kirries eingekehrt. Fast so, als habe Lurkons – im wahren Wortsinn erschütternder – Todeskampf sämtliche Mitbewohner verschreckt. Während des gesamten Rückwegs hatte Ischáh kein einziges Gespräch mit Mullen, Fledermäusen oder anderen Lebewesen führen können. Weil sie sich nicht mehr blicken ließen. Nur die Schritte der Menschen waren zu hören. Der Instinkt des Jägers warnte Taramis. Irgendetwas stimmte hier nicht …
»Die Kammer der sechs Wege«, raunte Bohan. Endlich war die Gabelung im Schein der Drachenaura aufgetaucht.
Taramis atmete auf. Hier begann der geheime Fluchtweg, der zu dem versteckten Ausgang in den Klippen führte. Das Schlimmste war geschafft. »Ischáh zuerst«, sagte er leise und deutete mit Ez den Lüftungsschacht hinauf.
»Darf ich Euch meine unwürdigen Pranken als Fußtritt anbieten?«, frotzelte der Donnerreiter und hielt ihr die ineinander verschränkten Hände hin.
Die Ganesin legte die ihren ohne eine Miene zu verziehen auf seine Schultern und ließ sich in die Höhe hieven. Nachdem das Loch in der Decke sie verschluckt hatte, bot er Taramis die Steighilfe an.
»Ich springe nach dir«, antwortete er, obwohl seine weichen Knie etwas anderes verlangten – er wollte sich keine Blöße geben.
Bohan zuckte mit den Achseln, ging in die Hocke und schnellte sich hinauf. Seine Finger verhakten sich im untersten Tritt. Mühelos hangelte er sich nach oben und verschwand ebenfalls im Schacht.
Während sich Taramis den Stab über den Rücken hängte, suchte er mit Blicken die sechs Tunnel ab. Seine Drachenaura vermochte sie nur wenige Schritte weit auszuleuchten, dahinter herrschten die Schatten. Es wurde Zeit zu verschwinden. Er ging in die Hocke, um zu springen. Plötzlich hörte er ein Zischen, und ehe er reagieren konnte, traf ein Pfeil mit enormer Wucht seine Brust.
Überrascht kippte er nach hinten und ein irrwitziger Gedanke zuckte ihm durchs Hirn. Fühlt es sich so an, wenn man stirbt?
Hierauf brach um ihn herum das Chaos
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