Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
mal Sammler gewesen?«
»Die meisten von ihnen. Einige hielten sich auch für Drachentöter. So wie du.«
»Ich bin nicht …« Taramis stockte der Atem, weil mit einem Mal etwas Unheimliches geschah.
Rings um Dovs Säule herum erhoben sich wie von Geisterhand die Knochen und mumifizierten Leichenteile vom Boden. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle sich die Totenarmee des Zwergenkönigs in Schlachtordnung aufstellen. Einige Gebeine entschwebten dem Licht der Steine, andere blieben auf Augenhöhe. Träge begannen sie Taramis zu umkreisen. Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel, ahnte er doch, dass es sich nicht nur um eine Drohgebärde handelte.
Die Bewegung nahm rasch an Tempo zu. Bald sah er sich inmitten eines makabren Malstroms, der ihn wohl unweigerlich verschlingen würde, sollte ihm nicht schnell ein rettender Einfall kommen. Mit beiden Händen umklammerte er den Stab, sein Geist verfolgte das lauernde Kreisen in der Zähen Zeit.
Plötzlich stürzte der Strudel in sich zusammen. Tausende von Geschossen – mumifizierte Glieder, Totenschädel und spitze Knochen, Waffen und Teile von Harnischen – durchpfeilten die Luft. Alle zielten auf die Stelle, wo er stand.
Taramis riss Ez hoch. Sein geballter Geist schoss aus dem schwarzen Holz – wie ein Blitz durch einen Baum. Für die Dauer eines Wimpernschlags umgab ihn ein grelles Licht. In diesem Moment erblickte er den doppelköpfigen Drachen.
Lurkon war ein Gigant, ein schwärzlicher, glänzender Lindwurm mit kurzen, kräftigen Beinen, krallenbewehrten Füßen und zwei langen Hälsen, an deren Enden die gehörnten Häupter wie Geißeln an Peitschen hingen. Ein Teil des zurückgeworfenen Hagels traf ihn mit voller Wucht.
Die Düsternis kehrte zurück und verhüllte erneut die wütende Bestie. Ihr bedrohliches Grollen brachte die ganze Höhle zum Beben. Das Monstrum würde sich nicht so leicht geschlagen geben, das war dem Stabträger klar. Welche Überraschungen hältst du noch für mich bereit?
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Jäh zuckte aus den Schatten das rotäugige Drachenhaupt hervor.
Ebenso schnell stieß Taramis mit Ez zu, verfehlte die Bestie jedoch, die vor der Attacke erstaunlich flink zurückwich. Ihm schwante, dass sie mit ihm zu spielen versuchte wie eine Katze mit der Maus. Hatte sie den Kirries mit ihren nach vorne gebogenen Hörnern das Herz aus der Brust gerissen? Rasch zog er das Langschwert. Als Tempelwächter hatte er gelernt, sich mit zwei Waffen gleichzeitig zu verteidigen. Angespannt blickte er in die Dunkelheit. Von wo kommt der nächste Angriff?
Eine Weile geschah gar nichts. Wollte ihn das Monstrum von dem Hemd Leviat weglocken? Schon um der Gefährten am Höhleneingang willen rührte er sich keinen Fußbreit von der Stelle, zumal ihn das Gefühl beschlich, in der Nähe des Drachenhemdes sicherer zu sein.
Da schoss abermals ein gehörntes Haupt hervor, diesmal war es das Gelbauge. Taramis riss den Stab herum und stach zu. Das Ungetüm hatte diese Reaktion offenbar provozieren wollen, denn es wich zur Seite aus, drehte den Kopf und versuchte den Mann mit seinen spitzen Hörnern zu treffen. Dadurch verlor es ihn kurz aus dem Blick.
Unbemerkt sprang er schräg nach vorn und stieß die lange Klinge in den Nacken der Bestie.
Lurkon schrie vor Schmerzen auf – es klang wie der Schall von tausend Trompeten. Einem lästigen Anhängsel gleich schleifte er sein verletztes Haupt über die Gebeine hinweg in die Deckung der Schatten. »Dafür reiß ich dir das Herz heraus«, brüllte das Rotauge vor schäumender Wut.
Taramis suchte erneut unter dem Drachenhemd Schutz. Sein Blick sprang unruhig hin und her. Wo ist das Biest? Setzt es jetzt wieder seinen Geist gegen mich ein? Oft bemerkte er es gar nicht, wenn ihn jemand mit mentalen Waffen angriff. Ohne eigenes Zutun warf seine Spiegelgabe die Attacke auf den Gegner zurück …
Mit einem Mal spürte er sie. Die Präsenz. Die Macht des Bösen. Sie musste so gewaltig sein, dass sein »Spiegel« zu zerbersten drohte. Wie eine feurige Faust umschloss sie sein Herz.
Ein Grollen wie bei einem Sommergewitter erfüllte die Höhle. Rasch steigerte es sich zu einem ohrenbetäubenden Klagen. Taramis rang keuchend nach Atem. Vor seinen Augen tanzten Sterne. Nein, eigentlich handelte es sich eher um ein Glühen, das wie Magma brodelte. Das anfängliche Rot wechselte ins Orange und wurde immer heller, bis ein weißes Gleißen daraus entstand. In dem aufstrahlenden Licht
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