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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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die uns betrügen – und zu jener speziellen, die uns nicht wegen eines gegenwärtigen Rivalen, sondern wegen der eigenen Vergangenheit betrügen. Ebenso wie Morwenna, die ich zu Saltus hingerichtet hatte, ihren Mann und ihr Kind vermutlich vergiftet hatte, weil sie sich an eine Zeit erinnerte, in der sie frei und vielleicht jungfräulich war, so hatte Dorcas mich verlassen, weil ich nicht existiert hatte (was sie unbewußt zweifelsohne als Versäumnis von mir sah) in jener Zeit, bevor das Schicksal sie ereilte.
    (Auch für mich ist das eine goldene Zeit gewesen. Ich hegte wohl das Andenken an den plumpen, freundlichen Knaben, der mir Bücher und Blumen in die Zelle brachte, hauptsächlich deswegen, weil ich wußte, er wäre meine letzte Liebe vor dem Verderben, dem Verhängnis, das weder, wie ich später in jenem Gefängnis erfuhr, jener Augenblick war, als der Gobelin über mich geworfen wurde, um meinen Schrei zu ersticken, noch die Ankunft in der Alten Zitadelle zu Nessus, noch das Zuschlagen der Zellentür hinter mir, noch jener Moment, als ich, in ein Licht getaucht, wie es auf Urth nie scheint, meinen Leib sich gegen mich auflehnen spürte – sondern der Augenblick, als ich die Schneide des fettigen Küchenmessers, der kalten, unbarmherzig scharfen Klinge, die er mir gebracht hatte, an meinen Hals führte. Vielleicht kommt für uns alle eine solche Zeit und ist’s Caitanyas Wille, daß eine jede sich richte für das, was sie getan. Doch können wir so sehr gehaßt werden? Können wir überhaupt gehaßt werden? Nicht wenn ich mich noch der Küsse entsinnen kann, die er meinen Brüsten aufgedrückt hat ohne zu atmen, um den Duft meines Fleisches zu riechen – wie Aphrodisius und wie jener Jüngling, der Neffe des Chiliarchen der Gefährten –, aber als hungere ihn wahrlich nach meinem Fleische. Hat uns etwas beobachtet? Er hat nun von mir gegessen. Vom Andenken geweckt, hebe ich die Hand und streiche mit den Fingern durch sein Haar.)
    Ich schlief, in meinen Mantel gehüllt, lange. Die Natur entlohnt alle Mühsale, die man auf sich nimmt. Die geringeren, worüber Leute, die ein leichteres Leben führen, klagen würden, scheinen einem fast angenehm. Ich war, ehe ich wirklich aufstand, mehrmals erwacht und hatte mich beglückwünscht zu einer solch behaglichen Nacht verglichen mit jenen, die ich im Gebirge verlebt hatte. Schließlich kam ich durch Sonnenschein und Vogelgesang wieder zu mir. Auf der anderen Seite des erloschenen Feuers rührte sich der Soldat und murmelte offenbar etwas. Ich setzte mich auf. Er hatte die Decke zur Seite geworfen und lag mit dem Gesicht zum Himmel. Es war ein blasses Gesicht mit eingefallenen Wangen; dunkle Ringe hingen unter den Augen, und vom Mund liefen tief eingegrabene Linien auseinander; aber es war ein lebendiges Gesicht. Die Augen waren wirklich geschlossen, und durch die Nasenlöcher fuhr hörbar Atemluft ein und aus.
    Im ersten Augenblick war ich versucht davonzulaufen, ehe er erwachte. Ich hatte noch sein Krummschwert – schon wollte ich’s zurücklegen, behielt es aber dann aus Angst, er könnte mich damit angreifen. Sein Dolch steckte noch im Baum, was mich an Agias krummes Messer im Fensterladen von Casdoes Haus erinnerte. Ich steckte es ihm wieder ins Halfter an seinem Gürtel, hauptsächlich, weil ich mich schämte, einen Mann mit Messer zu fürchten, der ich doch mit einem Schwert bewaffnet war.
    Als seine Lider bebten, wich ich zurück, da mir einfiel, wie Dorcas sich erschreckt hatte, als ich beim Erwachen über sie gebeugt stand. Damit ich nicht als finstere Gestalt erschiene, schlug ich den Mantel zurück und entblößte Arme und Brust, nun braun von so vielen sonnigen Tagen. Ich hörte seinen Atem; als er vom Schlaf zum Wachsein wechselte, mutete mich das fast so wunderbar an wie der Übergang vom Tod zum Leben.
    Er setzte sich auf und sah sich mit großen Kinderaugen um. Seine Lippen bewegten sich, aber er brachte nur Stammellaute hervor. Ich redete ihn an, wobei ich versuchte, möglichst freundlich zu klingen. Er hörte mich, schien aber nicht zu verstehen, und mir fiel wieder ein, wie benommen der Ulan gewesen war, den ich auf der Straße zum Haus Absolut wiederbelebte.
    Ich wollte ihm Wasser anbieten, hatte aber keins. Ich zog ein Stück Dörrfleisch hervor, das ich aus seinem Ranzen genommen hatte, brach es in zwei Hälften und teilte es mit ihm.
    Er kaute und fühlte sich offenbar schon wohler. »Steh auf!« sagte ich. »Wir müssen etwas zu trinken

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