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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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vor Raubtieren in acht nehmen. Es wär’ besser, wenn ihr was zum Schießen hättet, aber ich kann euch nichts geben.« Ich wollte schon weitergehen, aber er hielt mich auf, indem er mir die Hand auf die Schulter legte.
    »Laß ihn zurück, wenn du angegriffen wirst!« riet er mir. »Und wenn du ihn zurücklassen mußt, dann nimm’s nicht zu schwer. Fälle wie ihn hab’ ich schon gesehn. Wird sich sowieso nicht mehr bessern.«
    »Hat sich schon gebessert«, versetzte ich.
    Obschon dieser Mann uns nicht zu rasten gestattete und mir keine Waffe leihen wollte, gab er uns etwas zu essen; und ich setzte meinen Weg so freudig wie schon lange nicht mehr fort. Wir befanden uns in einem Tal, wo die westlichen Hügel vor einer Wache oder so emporgestiegen waren und die Sonne verdeckten. Als ich an der Seite des Soldaten ausschritt, fiel mir auf, daß ich ihn nicht mehr am Arm führen mußte. Ließ ich ihn los, hielt er neben mir Schritt wie ein Freund. Sein Gesicht glich eigentlich nicht demjenigen von Jonas, das lang und schmal gewesen war, aber als ich es einmal von der Seite sah, erinnerte mich irgend etwas daran so an Jonas, daß ich schon glaubte, ein Gespenst zu sehen.
    Die graue Straße wand sich fahl im Mondschein dahin und war von schwarzen Bäumen und Büschen umstanden. Ich fing zu reden an – zum Teil offengestanden vor Einsamkeit, doch hatte ich auch meine Gründe. Zweifelsohne gibt es Tiere, die ähnlich einem Alzabo Menschen angreifen, wie ein Fuchs über Geflügel herfällt, aber ich habe mir sagen lassen, es gebe auch viele andere, die flöhen, wenn sie rechtzeitig durch eine menschliche Stimme gewarnt wären. Außerdem dachte ich mir, wenn ich zum Soldaten spräche wie zu einem normalen Menschen, würden Wegelagerer, die uns hörten, nicht so leicht darauf kommen, wie wenig Widerstand er aufzubieten vermöchte.
    »Erinnerst du dich an die letzte Nacht?« begann ich. »Du hast sehr tief geschlafen.«
    Ich erhielt keine Antwort.
    »Ich hab’s vielleicht noch nicht erzählt, aber ich habe die Gabe, nichts zu vergessen. Zwar finde ich nicht immer gleich, was ich suche, aber es ist alles noch da; einige Erinnerungen, weißt du, sind wie entflohene Klienten, die unsere Oubliette durchstreifen. Man kann sie zwar nicht auf Geheiß hervorholen, nichtsdestoweniger sind sie jedoch da und können nicht entweichen.
    Was übrigens nicht ganz stimmt. Das vierte und unterste Geschoß unserer Oubliette wurde verlassen – wir haben sowieso nie genug Klienten, um die oberen Stockwerke vollzubekommen, und irgendwann wird Meister Gurloes vielleicht auch das dritte räumen lassen. Wir halten es jetzt nur noch für die Verrückten in Betrieb, um die sich keine Obrigkeit mehr kümmert. Wenn die in einem oberen Stock wären, würden sie mit ihrem Lärm die anderen stören. Natürlich sind nicht alle laut. Manche sind so still wie du.«
    Wieder erhielt ich keine Antwort. Im Mondschein konnte ich nicht sehen, ob er mir überhaupt zuhörte, aber ich dachte ans Rasiermesser und fuhr beharrlich fort.
    »Ich ging diesen Weg schon einmal. Durchs vierte Geschoß, meine ich. Ich hatte einen Hund, den ich dort hielt und der weglief. Ich suchte nach ihm und fand einen Tunnel, der aus der Oubliette führte. Schließlich kroch ich durch ein verfallenes Postament in einen Hof namens Atrium der Zeit. Er war voller Sonnenuhren. Ich traf dort eine junge Dame, schöner als jede andere, die ich seither zu Gesicht bekommen habe – gewissermaßen sogar hübscher als Jolenta.«
    Der Soldat blieb stumm, doch irgend etwas verriet mir, daß er mich hörte; vielleicht war’s nur ein leichtes Kopfnicken, das ich beiläufig registrierte.
    »Sie hieß Valeria und war wohl jünger als ich, obwohl sie älter wirkte. Sie hatte dunkles lockiges Haar wie Thecla, aber ihre Augen waren dunkler. Thecla hatte veilchenblaue. Sie hatte die feinste Haut, die ich je gesehen habe, wie frische Milch, mit dem Saft von Granatäpfeln und Erdbeeren vermischt.
    Aber ich wollte gar nicht von Valeria, sondern von Dorcas sprechen.
    Dorcas ist auch schön, wenn auch sehr dünn, fast wie ein Kind. Sie hat ein Elfengesicht, das mit Sommersprossen wie mit Goldstaub übersät ist. Ihr Haar war lang gewesen, bevor sie es schnitt; sie trug stets Blumen darin.«
    Wieder hielt ich inne. Ich hatte von Frauen gesprochen, weil das offenbar sein Interesse geweckt hatte. Nun war ich mir nicht mehr sicher, ob er mir noch zuhörte.
    »Bevor ich Thrax verließ, hatte ich Dorcas besucht. Es war

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