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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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den Berggipfeln und süß vom Andenken an den Schnee. Ich trank und trank immer wieder, bis ich nichts mehr hinunterbrachte, zog mich dann aus und wusch mich, so kalt es auch war. Nachdem ich mein Bad beendet, mich wieder angekleidet und zur Stelle zurückgekehrt war, wo der Weg den Strom überquerte, entdeckte ich dicht beieinander zwei Abdrücke am anderen Ufer, wo sich ein Tier zimperlich zur Tränke gebückt hatte. Sie lagen über den Hufspuren, die der Renner des Offiziers hinterlassen hatte, waren groß wie ein Suppenteller und wiesen keine Krallen an den weichen Zehenballen auf. Der alte Midan, Jagdaufseher meines Onkels, als ich das kleine Mädchen Thecla war, hatte mir einst erklärt, ein Smilodon trinke nur, wenn er gesättigt sei, und sei nicht mehr gefährlich, sobald er gesättigt sei und getrunken habe, es sei denn, er werde gereizt. Ich ging weiter.
    Der Weg wand sich durch ein bewaldetes Tal und dann zu einem Sattel zwischen zwei Bergen empor. Als ich mich der höchsten Stelle genaht hatte, fiel mir ein zwei Spannen dicker Baum auf, der in Augenhöhe offenbar entzweigebrochen war. Das Ende des stehenden Stumpfes und gefallenen Stammes war schartig, was bestimmt nicht von den glatten Schlägen einer Axt herrührte. Auf den nächsten zwei oder drei Meilen meiner Wanderschaft begegnete ich mehreren Dutzend davon. Anhand des fehlenden Laubes, der zum Teil abgebröckelten Borke an den gefällten Stämmen und den frischen Trieben an den Baumstümpfen schloß ich, daß der Schaden schon mindestens ein Jahr alt war.
    Schließlich mündete der Weg in eine richtige Straße, wovon ich schon so oft gehört hatte, auch wenn ich bislang nur halb verfallene vorgefunden hatte. Sie glich jener alten Straße, welche die Ulanen versperrt hatten, als ich beim Verlassen von Nessus von Dr. Talos, Baldanders, Jolenta und Dorcas getrennt worden war, allerdings war mir die Staubwolke, die über ihr schwebte, etwas Neues. Kein Gras wuchs darauf, obgleich sie breiter als die meisten städtischen Straßen war.
    Ich hatte keine andere Wahl als ihr zu folgen; sie war dicht von Bäumen und undurchdringlichem Unterholz umstanden. Ich hatte zunächst noch Angst beim Gedanken an die Feuerlanzen der Ulanen, obgleich das Gesetz, das die Benutzung der Straßen untersagte, hier vermutlich keine Gültigkeit mehr hatte und diese wohl nicht mehr so häufig begangen wurde wie dereinst; aber als ich kurz darauf hinter mir Stimmen und eine aufmarschierende Truppe hörte, trat ich nur an den Straßenrand und sah offen zu, wie die Kolonne vorüberzog.
    Den Zug führte ein Offizier an, der einen feinen, am Gebiß kauenden Blauen ritt, dessen Fänge lang belassen und mit Türkis besetzt waren, so daß sie farblich zum Roßharnisch und Schwertheft des Besitzers paßten. Die Soldaten, die ihm zu Fuß folgten, waren Antepilani der schweren Infanterie, breitschultrige, schmalhüftige Männer mit sonnengebräuntem, ausdruckslosem Gesicht. Sie trugen dreispitzige Korseken, Halbmonde und schwere Knüttel. Diese Waffenmischung und gewisse Unstimmigkeiten in Uniform und Ausstaffierung legten nahe, daß sich diese Schar aus den Resten früherer Truppen zusammensetzte. Wenn dem so wäre, hatten die Schlachten, die sie geschlagen, sie phlegmatisch gemacht. Sie zogen, insgesamt an die viertausend Mann, ohne Aufregung, Widerwillen oder ein Zeichen der Erschöpfung vorwärts, mit unbekümmertem Gebaren, aber doch nicht schlampig, und schienen ohne Überlegung oder Mühe Schritt zu halten.
    Ihnen folgten Wagen, die grunzende, trompetende Trilophodonten zogen. Ich rückte näher, als diese vorüberzottelten, denn die Lasten, womit sie bepackt waren, bestanden zum Großteil eindeutig aus Nahrungsmitteln; jedoch wurden die Wagen von berittenen Männern begleitet, wovon einer mich ansprach und fragte, zu welcher Einheit ich gehörte, und mich zu sich rief. Allerdings ergriff ich das Hasenpanier, und obschon ich mir ziemlich sicher war, daß er in diesem Gehölz nicht reiten könnte und nicht von seinem Renner stiege, um mich zu Fuß zu verfolgen, rannte ich, bis mir die Luft ausging.
    Als ich endlich stehenblieb, befand ich mich in einer stillen Lichtung, in die fahles Sonnenlicht durch das Laub der spindeldürren Bäume drang. Der Waldboden war mit weichem Moos bedeckt und fühlte sich an wie der dicke Teppich in der verborgenen Gemäldekammer, worin ich dem Herrn des Hauses Absolut begegnet war. Eine Zeitlang lehnte ich mich an einen der dünnen Stämme und

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