Die Zuckerbäckerin
Tischdiener berichteten Eleonore, daà viele Gäste sich gescheut hätten, ihre Menükarten zu verspeisen und diese statt dessen als Andenken mit nach Hause nahmen.
Nach solchen Abenden lieà die Königin es sich nicht nehmen, durch Fräulein von Baur Eleonore und den anderen Köchen ihr Lob auszusprechen. Sie selbst lieà sich nur noch selten in der Küche sehen, was ihr jedoch niemand übelnahm. Jeder wuÃte, wie sehr Katharina von ihren Amtsgeschäften in Anspruch genommen war. Oft kam es vor, daà Niçoise sich sorgenvoll über Katharinas Schlaflosigkeit auslieà oder sich über ihre fast unmenschliche Arbeitswut beklagte. Doch jeder im Schloà wuÃte, daà Katharina nicht mit dem üblichen Maà zu messen war. Und man war stolz auf die Königin, die wie eine wahre Mutter über das Wohlergehen des Landes wachte und sich nicht zu schade war, selbst überall dort Hand anzulegen, wo Not am Mann war.
Zu einem weiteren Treffen zwischen Eleonore und Katharina war es nicht gekommen. Manchmal kamen Eleonore die früheren Gespräche schon wie ein Traum vor. Hatte sie wirklich Katharina dazu geraten, eine Armenschule für die Kinder der in den Beschäftigungsanstalten untergebrachten Frauen einzurichten? Und hatte die Königin wirklich ihre Anregung aufgegriffen? Heute brauchte Katharina ihren Rat nicht mehr, die soziale Fürsorge im ganzen Land war besser geregelt als die Bücher eines manchen Statthalters, und auch die Armut schien eingedämmt zu sein. So sehr Eleonore sich mit allen anderen darüber freute, sie betrachtete die Entwicklung doch auch mit einer gewissen persönlichen Wehmut. Doch dann schalt sie sich als Wichtigtuerin, die wohl nichts anderes zu tun hatte, als alten Zeiten nachzutrauern. Galt es nicht, in die Zukunft zu blicken? War das nicht etwas, was die Königin sie zu lehren versuchte?Nur â was mochte es für Eleonore in der Zukunft noch zu entdecken geben?
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E s waren noch zwei Wochen bis Weihnachten. Nicht nur in der königlichen Hofküche liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, auch im Hoftheater ging es zu wie in einem Taubenschlag. Eine Probe jagte die nächste, wobei den Schauspielern die Uraufführung am Weihnachtsabend im Genick saÃ. Bis jetzt stimmte gar nichts: Kaum einem kam der noch fremde Text glatt über die Lippen. Melia fühlte sich in dem noch ungewohnten Bühnenbild wie in einem Irrgarten, während Gustav immer wieder die gleiche Treppenstufe übersah und stolperte. Jeder versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, allen voran Peter Josef von Lindpaintner aus München, der erst vor kurzem Johann Nepomuk Hummel als Hofkapellmeister abgelöst hatte. Es war zum Verzweifeln: Kaum hatten sich die Ensemble-Mitglieder und Musiker an die Spielarten eines Hofkapellmeisters gewöhnt, kam der nächste â mit neuen Ideen, Arbeitsweisen und Ansprüchen.
Obwohl der Nachschub an Brennholz für die Ãfen des Theaters nie ausging, fröstelte es Melia durch den dünnen Stoff ihres Kostüms. Es war erst fünf Uhr nachmittags, und sie wuÃte nicht, wie sie den Rest des Tages durchhalten sollte. Verstohlen schaute sie sich nach einem Stuhl um, auf dem sie kurz hätte ruhen können. Doch dann beschloà sie, die Zähne zusammenzubeiÃen. SchlieÃlich war sie gleich wieder an der Reihe, und der nächste Akt war, was ihre Rolleanging, sogar der wichtigste. Allerdings war ihr schleierhaft, wie sie die jugendliche Liebhaberin, die ihrem Angebeteten sämtlichen gesellschaftlichen Konventionen zum Trotz bis ins ferne Arabien folgte, glaubhaft darstellen sollte. Ihre Beine schmerzten wie nach einem stundenlangen Marsch, ihre Knöchel waren geschwollen, und das aufgedunsene Fleisch quoll über den pelzverbrämten Rand der Samtstiefeletten hervor. AuÃerdem hatte sie das Gefühl, als bekäme sie beim Atmen nicht genügend Luft, was ihr permanent ein leichtes Schwindelgefühl bescherte. Und ihre Laune? Unwillkürlich stieà sie einen Schnaufer aus, der ihr sogleich die fragenden Blicke der Umstehenden eintrug.
Was glotzt ihr alle so blöd, hätte sie am liebsten in die Runde geschrien. Statt dessen zwang sie sich eines ihrer berühmten Lächeln ab, das die obere Reihe ihrer perlenweiÃen Zähnen entblöÃte und ebenso charmant wie hilflos wirkte.
Ein Schatten huschte auf sie zu. »Melia â ist dir nicht
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