Die Zuckerbäckerin
erklären? Wie konnte sie ihm ihren Sinneswandel verständlich machen? SchlieÃlich war nichts geschehen, was einen Keil zwischen sie getrieben hätte. Kein Streit, nicht einmal böse Worte hatte es gegeben. Sollte sie ihm etwa die Wahrheit sagen. Daà sie Leonard nicht vergessen konnte, ganz gleich, was für ein Hundesohner auch sein mochte? Würde Johann sich damit abfinden? Oder würde er â aus gekränkter Männlichkeit â ihr das Leben fortan schwermachen? War es Feigheit, die sie schweigen lieÃ? Nein, das konnte Eleonore mit Sicherheit sagen, Feigheit war es nicht. Vielmehr war es so, als hielte irgend etwas sie davon ab, den nächsten Schritt zu tun. Manchmal war ihr, als warte sie auf etwas, als müsse etwas geschehen. Nur was? Solange sie sich in diesem Irrgarten der Gefühle befand, konnte sie sich Johann gegenüber auch nicht erklären. Ob sie nun wollte oder nicht â sie muÃte jeden Tag nehmen, wie er kam, und dabei hoffen, daà Johann sich noch eine Weile hinhalten lieÃ.
Der vorweihnachtliche Trubel kam ihr dabei gerade recht. Eine Festlichkeit jagte die andere. Einfache Diners, feierliche Bankette, die Verköstigung von Jagdgesellschaften bis hin zu Tanzbällen und groÃen Gesellschaften â es verging kaum ein Tag, an dem weniger als hundert Gäste zu verköstigen gewesen wären, zusätzlich zu den Bewohnern des Schlosses. Ein reibungsloser Ablauf dieser Feste bedurfte ein hohes Maà an Planung und Organisation. Wehe, irgendjemand fiel auch nur für kurze Zeit aus! Dann konnte für nichts mehr garantiert werden. Mit Schaudern dachte Eleonore an den Tag zurück, als die Hoftafelaufseherin, Frau Glöckner, eines gebrochenen Knöchels wegen nicht zur Arbeit erschienen war.
Zum Mittagstisch hatte sich eine dreiÃigköpfige Delegation österreichischer Botschafter angesagt, am frühen Nachmittag wollte Katharina eine Tafel für zwanzig Damen mit ihren Töchtern â zukünftige Schülerinnen der Mädchenschule â bewirten, und für den Abend war ein festliches Bankett für zweihundert Gäste im groÃen Saal geplant. Während in den verschiedenen Küchenräumen die Vorbereitungen auf Hochtouren liefen, war drauÃen das Durcheinander perfekt: Niemand wuÃte, welches Geschirr zuwelchem Anlaà zu nehmen war. Die fertigen Speisen stapelten sich auf den Anrichten und wurden schon kalt, während noch nicht einmal die Tafeln eingedeckt waren! Selbst Johann â sonst allen Dingen gewachsen â war hilflos wie ein kleines Kind, schlieÃlich konnte er doch nicht eigenhändig die Tische decken! Aus Frau Glöckners Aufzeichnungen wurde nicht einmal Martini, der erste Hoftafeldiener, schlau. Dieser entschied endlich, daà für das Diplomatenmenü das silberne Service verwendet werden sollte, das hastig gedeckt wurde, während man den nichtsahnenden Gästen so lange im Vorsalon ein Glas Wein kredenzte. Was Katharinas Kaffeekränzchen anging, war Martini jedoch ebenfalls überfragt, und so staunten die Baronessen nicht schlecht, als sie Eleonores feine Sahnestückchen auf einem rustikalen, eigentlich für Picknicks im SchloÃpark bestimmten Steinzeug serviert bekamen. Während die eine oder andere im stillen beschloÃ, diese neue Stuttgarter Mode der Schlichtheit auch auf ihrem Landgut einzuführen, wurde Fräulein von Baur von Katharina höchstpersönlich losgeschickt, um Frau Glöckner notfalls auf einer Bahre in die Hoftafelkammern bringen zu lassen, um dort für Ordnung zu sorgen. So kam es, daà die Bankettafel am Abend mit einem herrlichen â und dem Anlaà entsprechenden â Sèvres-Porzellan samt Aufsätzen, Vasen und Kandelabern eingedeckt war. Ãppiger Blumenschmuck zierte die fast fünfzig Meter lange Tafel und verwandelte sie in eine Landschaft aus Damast, Blüten und Silber. Eleonore hatte sich für das Bankett etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Statt die Menüfolge auf Papier zu verkünden, hatte sie für jeden Gast eine Oblate hergestellt und diese mit einer feinen Schrift aus Schokolade beschrieben. Ranken aus Marzipan und kleine Zuckerrosen verzierten diese eÃbare Speisekarte, die als letzten Gang sich selbst ankündigte. Das entzückte Staunen der Gäste beim Anblick der kuriosen SüÃigkeitwar fast bis in die Zuckerbäckerei zu hören gewesen. Die
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