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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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galt. Als ob sich auch nur ein Mensch auf das nahende Frühjahr gefreut hätte! Den Schilderungen der anderen nach bedeutete das Ende des Winters nichts Gutes für die Bewohner von Carlsthal und Umgebung. Begannen erst einmal die Schneemassen und die tiefgefrorenen Flüsse und Bäche aufzutauen, dann Gnade ihnen Gott! Binnen weniger Tage würde keine Straße mehr passierbar, keine Brücke mehr begehbar sein – alles würde in einem grauschwarzen Matsch versinken. Dagegen konnte man nichts tun, hieß es. Wer wollte schon den einen Gaul, den man besaß, auf den hüfthoch aufgeweichten Wegen zu Tode schinden, nur um unnötige Botengänge zu machen? Nein, da war es doch besser, zu Hause zu bleiben und abzuwarten.
    Barbaras Miene hatte sich beim Zuhören verdrießlich verzogen. »Wahrscheinlich ist alles nur halb so schlimm, und die faulen Lumpen suchen nach einer Ausrede, um nicht mit ihrem Tagwerk auf den Feldern beginnen zumüssen«, hatte sie gemeint. »Womöglich schleichen sie sich sogar davon, um nach Odessa zu fahren und dort für ein paar Kopeken billiger als bei uns einzukaufen.« Daraufhin war sie tagelang zu jedem Kunden so unfreundlich gewesen, daß Leonard sie am Ende in den hinteren Teil der Hütte schickte, dorthin, wo Schlafraum und Küche lagen. Wenn nun die Kunden wirklich ausblieben, hätten sie das ausschließlich ihrer Maulerei zu verdanken, hatte er sie angeschrien. Ob sie denn nicht bemerkte, daß die Leute gerade jetzt viel mehr einkauften als sonst – wahrscheinlich, um Vorräte für die kommenden Wochen zu haben? Doch Barbara hatte ihm nur trotzig den Rücken zugekehrt und geschwiegen. Als dann die kleine Glocke über der Ladentür ertönte, war er froh gewesen, einen Grund zu haben, um wieder nach vorne zu gehen. Doch abends war sie ihm dann urplötzlich um den Hals gefallen und hatte ihn umarmt, als wäre es das letzte Mal.
    Leonard seufzte wieder. War das nicht die Geschichte ihrer Ehe? Ein ewiges Auf und Ab. Barbaras Launen wechselten manchmal so schnell, daß Leonard Mühe hatte, Schritt zu halten. War sie frühmorgens bester Laune, so konnte es gut sein, daß er zum Mittagsmahl auf ein mit verkniffenen Lippen dasitzendes Weib traf, das kein Wort sprach. Wenn er dann in ihre Augen blickte, glichen diese den grauen Glasmurmeln, die Josef wie einen Schatz in einem Leinenbeutel hütete – kalt glänzend und vollkommen leblos. Josef schienen die Gemütsschwankungen seiner Mutter nicht viel auszumachen. Er war von Natur aus ein stilles Kind und ließ sich weder von ihren guten Launen anstecken noch von ihren schlechten. Vielmehr saß er meist mit großen Augen am Eßtisch und verfolgte die Wortwechsel zwischen seinem Stiefvater und seiner Mutter wie ein unbeteiligter Besucher, der zufällig hineingeschneit war. An manchen Tagen, wenn Barbara ihn wieder einmal mit ihrerLaunenhaftigkeit bis zur Weißglut gereizt hatte, konnte er plötzlich auch Josefs glatte Miene nicht mehr ertragen und mußte an sich halten, um das Kind nicht bis zur Besinnungslosigkeit zu schütteln. Dann erschrak Leonard über die Gewalt, die er in sich spürte. Dies war eine Seite, die er weder in seinen Heimatjahren noch auf der langen Reise hierher jemals von sich kennengelernt hatte.
    Mit schweren Schritten ging er zur Ladentür. Draußen war es stockdunkel, Straßenlaternen gab es keine. Sie waren auch nicht nötig. In Carlsthal gab es keinen Grund, des Nachts auf die Straße zu gehen. Leonard stieß ein bitteres Lachen aus. Vielleicht hätte er statt eines Krämerladens ein Wirtshaus eröffnen sollen? Wodka und ein Ort, an dem man seine Sorgen vergessen konnte – wie notwendig hätte er dies so manches Mal gehabt! Heute war auch so ein Tag. Nach den Neuigkeiten, die Barbara ihm während des Mittagmahls ins Gesicht geschleudert hatte, hatte er Mühe gehabt, den restlichen Tag hinter sich zu bringen, ohne seine Kunden etwas von seiner inneren Aufruhr merken zu lassen.
    Von ihren Nachbarn ahnte niemand etwas von den Spannungen, unter denen die kleine Hütte mit dem vorgebauten Krämerladen fast zu zerbersten drohte. Für sie waren Leonard und Barbara Plieninger welche, die es zu bewundern galt. Schließlich hatten sie es in der neuen Heimat zu etwas gebracht. Nur Martin Niederecker, der mehr schlecht als recht versuchte, Peter Gertschs Platz als Vorstand

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