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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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alles andere auf der Welt. Er wollte ein guter Vater sein, glaube mir. Daß es ihm nicht immer gelang, mochte auch an dem Umstand liegen, daß deine Mutter nicht, wie er wünschte, nach Braunschweig zu ihren Eltern zurückkehrte, sondern in Rußland blieb. Nicht einmal auf die eindringliche Bitte ihres Vaters, sie möge doch zurückkehren, ging sie ein. Aber damals war es schon zu spät …«
    Â»Was war zu spät?« Wilhelms Gesicht verzog sich düster. Was er bisher von seiner geliebten Mutter zu hören bekommen hatte, entsprach nicht im geringsten dem Bild, das er sich von ihr gemacht hatte. Er hatte Maria Feodorowna versprochen, ohne Zwischenrede zuzuhören. Mehr aber auch nicht! War sie erst einmal fertig, würde er ihr schon seine Meinung zu dem sagen, was sie von sich gab. Seine Mutter und Liebesabenteuer! Nichts als Gerüchte! Und nicht einmal Maria Feodorowna scheute sich davor, sie ohne mit der Wimper zu zucken zu wiederholen.
    Â»Zu diesem Zeitpunkt war deine arme Mutter schon in den Fängen des schrecklichen Generalleutnants von Pohlmann. Dieser Mann war von Katharina eigentlich dazu bestellt worden, deine Mutter auf ihrem Landgut in Estland, Schloß Lohde, zu beschützen. Beschützen! Wie eine Gefangene hat er sie dort gehalten! Wenn dies auch nur ein Mensch geahnt hätte, wäre vieles anders geworden, aber so?« Sie machte eine hilflose Geste. »Von Pohlmann fing alle Briefe ab, die an Auguste gerichtet waren. Er ließ keineBesucher zu ihr und schottete sie von der Außenwelt ab wie eine Gefangene.«
    Â»Das gibt es doch nicht! Das muß doch jemandem aufgefallen sein!«
    Â»Wem? Estland ist weit weg von Petersburg, und Schloß Lohde nicht gerade das Domizil, welches viele Gäste anzieht. Es war leider so, daß Auguste dem furchtbaren Menschen schutzlos ausgeliefert war, ohne daß auch nur eine Seele am Petersburger Hof etwas davon mitbekam. Auch Katharina nicht. Und dein Vater, der Arglose, schon gar nicht!« Sie schwieg für einen Moment.
    Â»Die Nachricht von ihrem Tod traf uns alle völlig überraschend. Ich mochte es zuerst gar nicht glauben. Ein Blutsturz. Auguste – das lebhafte, junge Mädchen! Dein armer Vater war so fassungslos, daß er zunächst gar nicht schreiben konnte. Der Gedanke, daß Auguste mit nur 24 Jahren mutterseelenallein hatte sterben müssen, brach ihm das Herz.« Sie ignorierte Wilhelms verächtliche Blicke. Hätte sie jetzt auch nur einen Augenblick gezögert, so hätte sie wahrscheinlich der Mut verlassen. »Doch es sollte noch schlimmer kommen.« Um Verständnis heischend schaute sie den gequälten jungen Mann an. »Katharina hatte wohl Gewissensbisse, daß sie ihre geliebte Auguste so fernab jeder Zivilisation ihrem Schicksal überlassen hatte. Sie stellte Nachforschungen an. Das Ergebnis war schrecklich.« Maria Feodorownas Augen wurden dunkel.
    Â»So redet doch schon, ich bitte Euch!«
    Â»Es hieß, daß am Tag ihres Todes so laute Schmerzensschreie aus dem Schloß gedrungen waren, daß die Bauern auf den Feldern sie hören konnten. Diese riefen dann einen Arzt, der an die verriegelten Türen des Schlosses pochte und um Einlaß bat. Vergeblich. Die Schreie wurden immer schwächer und verklangen schließlich. Natürlich gab es damals Gerüchte, vielleicht ahnte die Zarin sogar vonAnfang an die wahren Umstände von Augustes Tod. Uns blieben sie jedoch viele Jahre lang verborgen …«
    Â»Und wie sahen die wahren Umstände aus?« Der ganze Haß auf die kalte Welt, die seine Mutter im Stich gelassen hatte, klang in Wilhelms Stimme mit.
    Â»Von Pohlmann hatte Auguste in andere Umstände gebracht. Als dies ans Licht zu kommen drohte, verweigerte er ihr bei der Geburt jeden Beistand. Kalt und gefühllos sah er mit an, wie sie sich vor Schmerzen wand und schließlich alleine, ohne die Hilfe einer Hebamme oder eines Arztes, während einer Fehlgeburt das Leben lassen mußte.«

24
    D aheim in Schwaben bedeutete der März in guten Jahren das Ende des Winters, angekündigt durch das Singen der Vögel, die von wer weiß woher zurückgekehrt waren. Und plötzlich wußte man: Jetzt dauerte es nicht mehr lange, dann machte die Natur Gevatter Winter den Garaus! Unwillkürlich stieß Leonard einen Seufzer aus. In Rußland war der März nur ein weiterer Wintermonat, den es durchzustehen

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