Die Zuckerbäckerin
solchen Formats dringend nötig! Krampfhaft suchte Maria Feodorowna nach einem Gesprächsstoff, zu dessen Erörterung weder sonderlich viel Gemüt noch Phantasie erforderlich waren.
»Meintest du mit âºeinem der Brüder mit der Kunstsammlungâ¹ etwa Melchior oder Salpiz Boisseree?« fragte sie mit bemüht interessierter Miene.
»Pestalozzi ⦠Boisseree natürlich! Wie konnte ich die Namen nur verwechseln! Katharina ist besessen von dem Gedanken, deren Bildersammlung zu kaufen. Allerdings besteht dabei ein kleines Problem â¦Â« Das zerknirschte Grinsen auf seinem Gesicht versöhnte sie wieder ein wenig.
»Tja, das liebe Geld. Es scheint sich allerdings wirklich um einen wahren Schatz zu handeln. Nach dem, was man sich erzählt, ist die Sammlung der beiden Brüder an mittelalterlicher Kunst wirklich einzigartig.«
»Nun, wir werden sehen.«
Wenn er nicht des leichten Geplänkels wegen gekommen war, weshalb dann? Maria Feodorowna hatte plötzlich Mühe, ihre Irritation vor ihrem Besucher zu verbergen.
»⦠ich weiÃ, daà es seltsam ist, wenn ein Sohn so viele Jahre nach dem Tod seiner Mutter immer noch über denselben rätselt, aber â¦Â«
Maria Feodorowna durchfuhr es heià und kalt. Das war der Grund für seinen Besuch! Hatte Katharina doch recht gehabt mit ihrer Vermutung, Wilhelm würde nicht ruhen, bis er eines Tages alles über das so lang zurückliegende Unglück erführe! Kurz erwägte sie, sich mit ein paar vagen Sätzen herauszureden. Dann aber fielen ihr Katharinas Worte wieder ein: »Weià Wilhelm erst einmal, daà sein Vater nichts mit dem Tod seiner Mutter zu tun hat, gelingt es ihm vielleicht doch noch, mit ihm Frieden zu schlieÃen.«
Maria Feodorowna schickte Ludmilla aus dem Zimmer. Eine Minute lang schaute sie daraufhin Wilhelm nur an. Eisern hielt er ihrem Blick stand, als ahne er von ihrem inneren Kampf. SchlieÃlich seufzte sie. »Ich werde dir erzählen, was ich von Augustes Tod weiÃ. Aber ich warne dich: Es bedarf eines Mannes, um mit diesem Wissen umgehen zu können. Wenn du glaubst, damit dem Kinde in dir Frieden geben zu können, hast du dich getäuscht.«
Wie auf ein Stichwort verzog sich die müde Wintersonne hinter eine Wolkenwand, und im Zimmer wurde es düster.
»Das Kind in mir existiert seit meinem siebenten Lebensjahr nicht mehr. Seit dem Tag, an dem meine Mutter uns verlieÃ. Oder verlassen muÃte. Ist es nicht wenigstens mein Recht, zu erfahren, warum sie nie wiederkam?«
Der trotzige Haà in seiner Stimme gefiel ihr nicht. Wo sollte sie anfangen? Was sollte sie auslassen, wasbeschönigen? Mit gemischten Gefühlen begann Maria Feodorowna zu erzählen:
»â¦Â wie du weiÃt, war deine Mutter ein blutjunges Ding, als sie Friedrich heiratete. Es gab kaum eine Fünfzehnjährige, die von so aufblühender Schönheit war wie Auguste. Und die eine solche Lebhaftigkeit ausstrahlte. In Augustes Gegenwart hatte jeder das Gefühl, er bekäme ein Stück der eigenen Jugend und Unbeschwertheit zurück. Aber ⦠es gab auch kaum eine Prinzessin, deren geistige Interessen so zurückgeblieben waren wie die ihren.«
Wilhelm öffnete den Mund, aber Maria Feodorowna sagte bestimmt: »Nein, Wilhelm. Wenn du willst, daà ich weitererzähle, dann hör mir zu.« Unter ihrem strengen Blick wandte er seine Augen ab, und sie fuhr fort.
»Es war nicht Augustes Schuld, daà ihre Bildung so wenig gefördert worden war. Am Braunschweigischen Hof herrschte nun einmal zu jener Zeit ein sehr oberflächliches Gesellschaftsleben, dazu kam die Sorge ihrer Eltern um Augustes kranke Brüder, deren Geisteszustand leider als schwachsinnig zu bezeichnen war. Dennoch lieà sich Friedrich nicht von seiner Zuneigung zu Auguste abbringen. Er war der festen Ãberzeugung, daà er seiner jungen Braut alles beibringen könnte, was diese vom Leben wissen muÃte.« Sie hielt inne. »Die ersten Ehemonate verliefen besser, als die meisten Skeptiker, Augustes Vater eingeschlossen, vermutet hätten. Friedrich nannte deine Mutter âºmeine kleine Frauâ¹ und sah aus wie der glücklichste Mensch auf Erden. Und Auguste genoà die vielen Reisen und den Umstand, endlich den lästigen Ermahnungen ihres Vaters entronnen zu sein. Dann aber wurde Friedrich mit seinem Regiment nach Lüben versetzt, und das
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