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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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getan hatte. Doch dafür hatten weder Wilhelm noch sein Vater Verständnis. Sicher, die Menschen hatten es gut mit ihr gemeint, und sie war glücklich über den so freundlichen Empfang gewesen, vor allem, wenn man bedachte, wie die erste Frau des Erbprinzen das Schloß verlassen hatte! Und soviel sie wußte, war Charlotte Auguste bei den Stuttgartern nicht unbeliebt gewesen …
    Â»Bon soir, ma chère! Katharina, du wirst dir am offenen Fenster den Tod holen!«
    Aufgeschreckt drehte sie sich um. Sie hatte weder die Tür noch Wilhelms Schritte gehört, bis er direkt hinter ihr stand.
    Â»Wilhelm! Wie schön, daß du noch Zeit für mich gefunden hast!« Sie umarmte ihn ungelenk, bevor sie sich von ihm ans Bett führen ließ.
    Â»Angesichts der späten Stunde hätte ich mir einen Besuch bei dir fast untersagt, aber da ich weiß, daß meine Russin eine Nachteule ist …« Er musterte sie gründlich. »Sag, solltest du in deinem Zustand nicht auf eine längere Bettruhe achten?«
    Katharina stöhnte. »Sollte ich! Jawohl! Aber was kann ich tun, wenn der Schlaf einfach nicht kommen mag? Gehe ich früher zu Bett, wälze ich mich nur stundenlangherum, was bei meinem Leibesumfang nicht das reinste Vergnügen ist. Außerdem …«
    Â»Was ist? Träumst du immer noch so böse Dinge?«
    Â»Hin und wieder. Aber laß uns von etwas anderem reden.« Katharina war es unangenehm, über ihre Träume zu sprechen, und sie wußte, daß es auch Wilhelm bei diesem Thema nicht wohl war. Als er das erste Mal durch ihre lauten Angstschreie aus dem Schlaf gerissen worden war, hatten sie nachher beide darüber gelacht und einen Scherz daraus gemacht. Doch als die Dämonen der Nacht ständig wiederkehrten, konnte sie dies nicht mehr mit einem Schulterzucken abtun. Woher die Alpträume kamen, wußte sie selbst nicht; die Tatsache, daß sie überhaupt welche hatte, bereitete ihr Wilhelm gegenüber ein schlechtes Gewissen. Hatte sie nicht allen Grund, in ihrer neuen Heimat Tag und Nacht glücklich und zufrieden zu sein? Wären die Träume nach Georgs plötzlichem Tod gekommen, hätte Katharina dies verstanden. Damals war es ihr wirklich nicht gut gegangen. Auf der Flucht vor ihrem unendlichen Schmerz war sie in jener Zeit wie eine Wahnsinnige durch ganz Europa geirrt, gefolgt von ihren beiden kleinen Söhnen und Milena, ihrer treuen russischen Kinderfrau. Täglich wurde sie von Ohnmachtsanfällen und peinigenden Kopfschmerzen geplagt. Die nächtlichen Quälereien hatten jedoch erst hier angefangen. Nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft in Württemberg war sie das erste Mal schweißgebadet aufgewacht. Seitdem bedeutete für sie das Bett keine Stätte der Ruhe mehr.
    Wilhelms sorgenvoller Blick beunruhigte sie jetzt mindestens ebensosehr wie die Aussicht auf eine weitere unruhige Nacht. Sie versuchte zu lächeln. »Als wir uns in Wien kennenlernten, machte es dir nichts aus, eine Nachteule im Arm zu halten. Erinnerst du dich? Ganze Nächte haben wir durchtanzt und sind von allen für unser Standvermögenbeneidet worden. Ja, ja …, das Zauberelixier einer jungen Liebe …« Wilhelm seufzte theatralisch. »Lang ist’s her … schau uns jetzt an – ein richtig altes Ehepaar ist aus uns schon geworden …« Sie mußten beide lachen.
    Zum ersten Mal an diesem langen Tag fühlte Katharina sich richtig glücklich. Zu selten kam es vor, daß Wilhelm auf ihre Scherze einging. Leider hatte sie schon bald nach ihrer Heirat feststellen müssen, daß es ihm zumeist an Humor fehlte.
    Als sie sich wieder beruhigt hatten, begann Katharina wesentlich zögerlicher als zuvor:
    Â»Dein Vater hat nach dir gefragt.«
    Sofort setzte Wilhelm sich steif auf. »Und? Was will er?«
    Â»Er hat nach dir gefragt, sonst nichts. Ich denke, er würde sich über einen Besuch von dir freuen«, erwiderte sie in bewußt beiläufigem Ton. Ohne ihn anzublicken, griff sie nach einer Tasse Milch, die, wie jeden Abend, auf einem Tablett bereitstand. Sie fügte zwei Löffel dicken, goldgelben Honig hinzu und rührte so lange in der Tasse herum, bis er sich in der Milch aufgelöst hatte. Die Dose mit kleinen Gebäckstücken blieb ungeöffnet.
    Lange brauchte sie auf Wilhelms Antwort nicht zu warten. »Er würde sich über einen Besuch von mir

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