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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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größte Mühe mit Ihrer Frisur geben werde.«
    Melias skeptischer Blick ließ Sonia innerlich vor Wut fast platzen. Trotzdem verharrte sie in ihrer demütigen Haltung.
    Â»Meinst du?« Die Hofschauspielerin seufzte und warf theatralisch die Hände in die Luft. »Nun, für ein paar Tage würde es vielleicht gehen … Mon Dieu! Welche Sorgen! Und das gerade jetzt! Ein Unglück kommt zum anderen …, wie werde ich vom Schicksal bestraft! Wahrscheinlich kann mir sowieso niemand mehr helfen …« Wieder schniefte sie laut vor sich hin.
    Sonia spitzte die Ohren. War Melia womöglich auch schwer krank? Oder welches Unglück war ihr sonstwiderfahren? Mit einem unfeinen Platsch ließ sie den Putzlumpen endgültig ins brackige Wasser fallen, um der Hofschauspielerin in ihre Garderobe zu folgen.
    Den halben Vormittag war sie nun schon damit beschäftigt, zwei große Körbe Seidenblumen nach Farben zu sortieren, geknickte Blätter glattzustreichen und locker gewordene Anstecknadeln wieder anzunähen. Die Arbeit war zwar allemal besser als den Boden zu wischen, doch nach Louises vornehmem Getue hatte Sonia sich unter der Tätigkeit einer Kammerzofe viel mehr vorgestellt. Sie überlegte, ob es Melia wohl auffallen würde, wenn die eine oder andere Ansteckblüte fehlte. Die Hofschauspielerin lag wie eine Marmorstatue auf ihrem Diwan und seufzte vor sich hin. Vorsichtig schaute Sonia zu ihr hinüber, dann steckte sie eine tiefrote Seidenrose in ihre Schürzentasche. Im gleichen Augenblick stieg ein lautes Schluchzen vom Diwan auf und ließ sie vor Schreck zusammenzucken. Doch Melia hatte nichts bemerkt. Ihren Kopf in beide Hände gestützt, wiegte sie sich weinend hin und her.
    Mit zwei Sätzen war Sonia an ihrer Seite. »Gnädige Dame, so beruhigen Sie sich doch!« Mehr aus Reflex denn aus Mitgefühl beugte sie sich über die weinende Frau und strich ihr tröstend über den Kopf. »Was ist denn so Schlimmes geschehen? So reden Sie doch, sonst muß ich mir Sorgen um Ihre Gesundheit machen!«
    Melia hielt inne. Ihr Gesicht war tränennaß und vom schwarzem Kohlenstift verschmiert. »Reden? Nicht einmal das kann ich. Zum Schweigen verurteilt bin ich! Muß mein Schicksal alleine tragen, einsam, ohne die Hilfe anderer in Anspruch nehmen zu dürfen.« Wieder wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt.
    Melias theatralische Redeweise ließ Sonia innerlich laut auflachen. Wahrscheinlich lag das ganze Drama in einemabgeknickten Schuhabsatz! Oder Madame hatte wieder einmal Mühe, die Verse für den heutigen Abend auswendig zu lernen! Melias nächste Worte ließen sie jedoch wie zu Stein erstarren.
    Â»Die ewige Liebe hat er mir versprochen! Nur mir wolle er treu sein, den gesellschaftlichen Konventionen zum Trotz an unserer Liebe festhalten …, und ich glaube ihm. Trotzdem tut es fürchterlich weh, mit anzuschauen, wie …« Die nächsten Worte wurden von einem neuen Weinkrampf erstickt.
    Sonia traute sich nichts zu sagen, sondern saß nur still daneben. Von Zeit zu Zeit strich sie über Melias Wange. Innerlich zitterte auch sie, allerdings vor Aufregung und Ungeduld, endlich mehr zu erfahren. So aufgelöst hatte sie Melia, die Grande Dame des Stuttgarter Theaters, noch nie erlebt.
    Nachdem der Pfropfen erst einmal gelöst war, sprudelte es schließlich weiter aus Melia heraus: ihr ganzes Unglück als Geliebte eines verheirateten Mannes, der eine sehr hohe gesellschaftliche Position innehatte und sich nicht zu ihr bekennen konnte.
    Â»Ich weiß sehr wohl, daß er sich einen Nachfolger wünscht, ja, diesen sogar dringend braucht«, brachte sie schniefend hervor. »Welchem Mann in seiner Position erginge es anders?« Der trockene, bittere Ton, der aus ihrer Kehle kam, glich mehr einem Husten denn einem Lachen. »Aber wäre ich ein Mensch, wenn ich beim Anblick seiner Angetrauten samt Neugeborenem nicht wenigstens ein bißchen Neid, ja, Eifersucht und Schmerz fühlen würde? Mein Herz ist nicht aus Stein, weiß Gott!«
    So, wie Melia sich aufführte, konnte man fast annehmen, sie wäre mit dem König von Württemberg verbandelt, schoß es Sonia durch den Kopf. Hatte nicht Eleonore erzählt, im Schloß hätte es eine Tauffeier für die kleine Prinzessingegeben? Doch der Gedanke war zu abwegig, als daß sie ihn weiter verfolgt hätte.

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