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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zur Tür hereingekommen war und diese zum Verkauf anbot. Über den Preis war man sich schnell einig gewesen und hatte das Geschäft, wie unter Russen so üblich, mit einem Schluck Wodka besiegelt. Als Leonji herausfand, daß er und der Württemberger den gleichen Namen trugen, war die Freude groß. Beim nächsten Besuch ließ er Leonard die beiden selbstgeschnitzten Becher da. Die Verzierung sei der russische Buchstabe L, erklärte er Leonard, für den die Becher mehr bedeuteten als nur der Freundschaftsbeweiseines wohlgesonnenen Geschäftspartners. Für ihn waren sie ein gutes Omen, ein Zeichen dafür, daß alles gut werden würde hier in Rußland. Welche Ironie des Schicksals also, daß Michael gerade aus ihnen auf seine Heimreise trinken wollte!
    Â»â€¦ nein, nein, das mach’ ich nicht mehr mit! Die Karla hat auch genug. Wenn’s sein müßt’, tät’ sie lieber auf der Alb verhungern als hier in der Fremde, hat sie erst gestern wieder gemeint.« Er beendete seine Jammertirade mit einem ordentlichen Schluck Wodka.
    Â»Was soll das Gerede vom Verhungern?« fragte Leonard barscher nach, als ihm zumute war. »Schließlich bin ich auch noch da, oder?« Tausend Erwiderungen lagen ihm auf der Zunge, es gab so vieles, was er Michael hätte sagen können. War nicht jeder seines eigenen Glückes Schmied? Warum hatten zum Beispiel die anderen Württemberger Bauern es zu einer recht ansehnlichen Ernte gebracht, wenn doch die russische Erde so gar nichts taugte? Das und viel mehr hätte er ihm sagen können, doch er blieb stumm. Was hätte es genutzt?
    Â»Daß du uns oft ausgeholfen hast in der letzten Zeit, weiß ich wohl zu schätzen.« Mit gesenktem Kopf saß Michael da. Dies zu sagen fiel ihm sichtlich schwer. »Daß dein Weib damit nicht einverstanden war, haben wir auch mitgekriegt.« Schon war der Vorwurf in Michaels Stimme nicht mehr zu überhören. Mit einem hastigen Blick versicherte er sich, daß Barbaras Schatten nicht hinter dem Vorhang zu den Wohnräumen auftauchte. Ȇberhaupt, dein Weib! Wenn du mich fragst, fing damit das ganze Elend doch erst an! Wer hat denn damit gerechnet, daß du noch auf der Herreise eine heiratest? Wo doch ausgemacht war, daß wir gemeinsam hier anfangen. Wäre alles so gekommen, wie’s geplant war, sähe heute einiges anders aus.«
    Michael konnte nicht ahnen, wie recht Leonard ihm imstillen gab. Du kannst nicht zurück, ich brauche dich hier, wollte er seinem Bruder ins Gesicht schreien. Wir sind doch ein Fleisch und Blut! Und: Was soll ich allein hier, in der Wildnis? Auf einmal fühlte er sich unendlich müde.
    Eine Zeitlang saßen die beiden schweigend da. Nachdem Leonard seinen Becher geleert hatte, schenkte er sich erneut ein. »Wann wollt ihr fahren?«
    Â»In zwei Wochen geht eine Kolonne von Odessa los. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir das. Es gibt noch mehr Württemberger, die es zurück in die Heimat zieht«, antwortete Michael trotzig.
    Leonard schenkte auch ihm nach. Hoffentlich blieben Barbara und der Junge noch eine Weile unten am Fluß. »Und was willst du tun in der neuen alten Heimat?«
    Michael zuckte mit den Schultern. »Zuerst einmal gehen wir zu Karlas Leuten, wenigstens für einige Zeit. Danach wird sich schon etwas finden. Vielleicht steht ja unser alter Hof noch leer. Damals hat sich ja kein Käufer für den alten Flecken finden lassen.«
    Â»Und hier willst du dein Glück nicht noch einmal versuchen? Schau die anderen an: Der Weizen wächst doch gut, und auch die Gerstenernte war bei den meisten recht ordentlich. Vielleicht müßtest du es bloß auf einem anderen Stück Land probieren.«
    Michael schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich hab’ genug von Rußland. Die gebratenen Tauben fliegen einem nirgendwo ins Maul, das weiß ich jetzt. Aber wenn ich mich schon abrackere, dann will ich’s lieber noch einmal in der Heimat versuchen. Ich bin eben nicht der große Eroberer – ich hätt’ gar nicht erst weggehen sollen.«
    Wieder pflichtete Leonard seinem Bruder insgeheim bei. Laut sagte er: »Du bist ja nicht freiwillig gegangen. Die schlechten Zeiten waren’s, die dich zur Auswanderung getrieben haben.«
    Michael nickte, und seine Miene war ungewohnt heiter. »Aber damit soll’s ein Ende haben, heißt es. Ist dir nicht aufgefallen,

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