Die Zuckerbäckerin
zur Tür hereingekommen war und diese zum Verkauf anbot. Ãber den Preis war man sich schnell einig gewesen und hatte das Geschäft, wie unter Russen so üblich, mit einem Schluck Wodka besiegelt. Als Leonji herausfand, daà er und der Württemberger den gleichen Namen trugen, war die Freude groÃ. Beim nächsten Besuch lieà er Leonard die beiden selbstgeschnitzten Becher da. Die Verzierung sei der russische Buchstabe L, erklärte er Leonard, für den die Becher mehr bedeuteten als nur der Freundschaftsbeweiseines wohlgesonnenen Geschäftspartners. Für ihn waren sie ein gutes Omen, ein Zeichen dafür, daà alles gut werden würde hier in RuÃland. Welche Ironie des Schicksals also, daà Michael gerade aus ihnen auf seine Heimreise trinken wollte!
»⦠nein, nein, das machâ ich nicht mehr mit! Die Karla hat auch genug. Wennâs sein müÃtâ, tätâ sie lieber auf der Alb verhungern als hier in der Fremde, hat sie erst gestern wieder gemeint.« Er beendete seine Jammertirade mit einem ordentlichen Schluck Wodka.
»Was soll das Gerede vom Verhungern?« fragte Leonard barscher nach, als ihm zumute war. »SchlieÃlich bin ich auch noch da, oder?« Tausend Erwiderungen lagen ihm auf der Zunge, es gab so vieles, was er Michael hätte sagen können. War nicht jeder seines eigenen Glückes Schmied? Warum hatten zum Beispiel die anderen Württemberger Bauern es zu einer recht ansehnlichen Ernte gebracht, wenn doch die russische Erde so gar nichts taugte? Das und viel mehr hätte er ihm sagen können, doch er blieb stumm. Was hätte es genutzt?
»Daà du uns oft ausgeholfen hast in der letzten Zeit, weià ich wohl zu schätzen.« Mit gesenktem Kopf saà Michael da. Dies zu sagen fiel ihm sichtlich schwer. »Daà dein Weib damit nicht einverstanden war, haben wir auch mitgekriegt.« Schon war der Vorwurf in Michaels Stimme nicht mehr zu überhören. Mit einem hastigen Blick versicherte er sich, daà Barbaras Schatten nicht hinter dem Vorhang zu den Wohnräumen auftauchte. »Ãberhaupt, dein Weib! Wenn du mich fragst, fing damit das ganze Elend doch erst an! Wer hat denn damit gerechnet, daà du noch auf der Herreise eine heiratest? Wo doch ausgemacht war, daà wir gemeinsam hier anfangen. Wäre alles so gekommen, wieâs geplant war, sähe heute einiges anders aus.«
Michael konnte nicht ahnen, wie recht Leonard ihm imstillen gab. Du kannst nicht zurück, ich brauche dich hier, wollte er seinem Bruder ins Gesicht schreien. Wir sind doch ein Fleisch und Blut! Und: Was soll ich allein hier, in der Wildnis? Auf einmal fühlte er sich unendlich müde.
Eine Zeitlang saÃen die beiden schweigend da. Nachdem Leonard seinen Becher geleert hatte, schenkte er sich erneut ein. »Wann wollt ihr fahren?«
»In zwei Wochen geht eine Kolonne von Odessa los. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir das. Es gibt noch mehr Württemberger, die es zurück in die Heimat zieht«, antwortete Michael trotzig.
Leonard schenkte auch ihm nach. Hoffentlich blieben Barbara und der Junge noch eine Weile unten am FluÃ. »Und was willst du tun in der neuen alten Heimat?«
Michael zuckte mit den Schultern. »Zuerst einmal gehen wir zu Karlas Leuten, wenigstens für einige Zeit. Danach wird sich schon etwas finden. Vielleicht steht ja unser alter Hof noch leer. Damals hat sich ja kein Käufer für den alten Flecken finden lassen.«
»Und hier willst du dein Glück nicht noch einmal versuchen? Schau die anderen an: Der Weizen wächst doch gut, und auch die Gerstenernte war bei den meisten recht ordentlich. Vielleicht müÃtest du es bloà auf einem anderen Stück Land probieren.«
Michael schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich habâ genug von RuÃland. Die gebratenen Tauben fliegen einem nirgendwo ins Maul, das weià ich jetzt. Aber wenn ich mich schon abrackere, dann will ichâs lieber noch einmal in der Heimat versuchen. Ich bin eben nicht der groÃe Eroberer â ich hättâ gar nicht erst weggehen sollen.«
Wieder pflichtete Leonard seinem Bruder insgeheim bei. Laut sagte er: »Du bist ja nicht freiwillig gegangen. Die schlechten Zeiten warenâs, die dich zur Auswanderung getrieben haben.«
Michael nickte, und seine Miene war ungewohnt heiter. »Aber damit sollâs ein Ende haben, heiÃt es. Ist dir nicht aufgefallen,
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