Die Zufalle des Herzens
Konfrontation erst einmal vermeiden. »Ja, schon, aber jeden Moment könnten Patienten kommen …«
»Es wird nicht lange dauern.«
Sie folgte ihm in sein Büro, wo er sich auf den hölzernen Windsor setzte und ihr den Polsterstuhl überließ. Oje , dachte sie, der Schlechte-Nachrichten-Stuhl .
»Ich habe gerade einen Anruf von Kendra bekommen«, sagte er. »Sie ist jetzt im zweiten Drittel, und die Übelkeit ist vorbei. Ab nächster Woche möchte sie wieder arbeiten.« Sein Gesicht nahm einen weicheren Ausdruck des Bedauerns an. »Ich würde dich gerne auf Dauer beschäftigen, aber vom Gesetz her bin ich verpflichtet, sie wieder einzustellen.«
»Oh«, murmelte sie, und ihr war, als hätte jemand sie ohne die Gewissheit, dass der Fluss darunter Wasser führte, von einem Kliff gestoßen. »Na, das ist sicher gut für sie. Ich hatte nie Morgenübelkeit, aber soweit ich weiß, ist das grässlich. Muss eine Riesenerleichterung sein, es hinter sich zu haben …«
Ein Hauch von Belustigung verlieh Tonys Gesicht einen warmen Ausdruck. Es war der Kleinkind-macht-wieder-so-was-Niedliches-Blick, mit dem Alder sie manchmal bedachte. »Das ist eine sehr Dana-typische Reaktion«, sagte er. »Ich weiß aber, dass du dir bestimmt Sorgen über dein Einkommen machst.«
Dana atmete tief aus. »Im Moment komme ich zurecht – und ich hoffe, dass sich die Situation für Kenneth nach Neujahr wieder bessert.«
Und was dann? Er hatte jetzt eine neue Familie zu ernähren. Am Abend zuvor hatte er sie angerufen und ihr die Neuigkeit mitgeteilt. Sie würden am Samstag, den 13. Dezember – in weniger als zwei Wochen – heiraten, und Pollys Mann, Victor, würde sein Trauzeuge sein. Bei diesem letzten Punkt hatte Kenneth sie beinahe um Erlaubnis gefragt. »Er ist dein bester Freund«, hatte Dana geantwortet. Dennoch hatte es ihr einen Stich versetzt.
Die Kinder waren eingeladen, Brautjungfer und Ringträger zu sein, aber das war noch nicht fest ausgemacht. Tina bestand darauf, dass sie Zeit haben sollten, darüber nachzudenken, und dass es so oder so in Ordnung wäre. »Obwohl ich ziemlich sicher bin, dass Polly mich hasst, hat sie mir angeboten, mit den Kindern Klamotten für die Hochzeit einkaufen zu gehen«, hatte Kenneth Dana erzählt. »Sie wusste, dass wir sie bis zur Hochzeit nicht mehr hier haben würden, und sie hatte Angst, dass du es am Ende machen müsstest.« Dana fand die Geste ebenso rührend wie ärgerlich.
Sie konzentrierte sich wieder auf Tony. »Ich werde mich nach einer anderen Stelle umsehen. Vielleicht in einem Kaufhaus – vor Weihnachten werden zusätzliche Verkäuferinnen gebraucht.« Geschenke , dachte sie. Da werde ich richtig auf Schnäppchenjagd gehen müssen . Zum ersten Mal, seit sie Kinder hatte, die reich beschenkt werden sollten, bedrückte sie der Gedanke daran.
Und es würde keine plaudernd verbrachten Mittagspausen mehr geben, niemanden, den man bedauern oder dem man Geschichten erzählen konnte. Keinen Tony.
»Kaufhäuser zahlen nicht besonders gut«, sagte er. »Ich werde mit Freunden telefonieren, die vielleicht Büroleiterstellen zu besetzen haben – zwei Zahnärzte und ein Kumpel von mir, der ein kleines Bauunternehmen hat. Mal sehen, was sich da ergibt.« Er beugte sich vor und tätschelte ihr vorsichtig die Hand. »Ich glaube wirklich, dass es klappen wird«, sagte er. Es war genau das, was sie Morgan über die bevorstehende Heirat von Kenneth und Tina gesagt hatte. Und sie hatte geblufft.
Auf dem Heimweg kaufte Dana sich den Hartford Courant . Wenn er könnte, würde Tony ihr helfen, eine andere Stelle zu finden. Doch sie wusste, dass auch die besten Absichten nicht immer von Erfolg gekrönt waren. Dafür gab es in ihrem Leben genügend Beweise. Im Übrigen schien er gar nicht mal so unglücklich darüber zu sein, sie zu verlieren, was sich wie ein Ausschlag in ihre Haut eingrub und Zweifel an ihm nährte.
An diesem Nachmittag brachte sie Grady zu seinem ersten Basketballtraining der Saison, und obwohl sie noch einiges zu erledigen hatte, beschloss sie zu bleiben. Sie wollte ein kritisches Auge auf den Trainer werfen, und wenn Grady wusste, dass sie ihm zusah, würde ihn das zuversichtlicher machen. Das war von allem, was Jack Roburtin zu ihr gesagt hatte, das einzig Sinnvolle.
Anfangs trieben die Jungen ihren Basketball planlos vor sich her, als hätten sie noch nie zuvor einen gesehen, dabei waren die meisten von ihnen letztes Jahr in Gradys Mannschaft gewesen. Es war, als hätte
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