Die Zufalle des Herzens
düster und niedergeschlagen, als dächte auch er über Dinge nach, die ihn innerlich bluten ließen.
Er räusperte sich, ein kaum wahrnehmbares Gurgeln begleitete den plötzlichen Husten. Seine Allergie spielte verrückt, und Dana hätte ihn fast gefragt, ob er sein Antihistaminikum genommen habe. Es war jedoch nicht mehr an ihr, auf dieses Geräusch zu achten oder ihn an seine Medizin zu erinnern. Sie sollte lieber anfangen, auf ihren eigenen Körper zu hören: das dumpfe, widerwillige Pochen ihres Pulses, die schrille Beschämung darüber, dass sie bei etwas so Wichtigem gescheitert war.
»Versprich mir etwas«, bat sie ihn über ihren Salat hinweg. »Wenn du die Kinder besuchst, bring bitte deine Freundin nicht mit. Lass sie dich wenigstens die nächsten zwei Monate lang ganz für sich haben.«
»Was meinst du damit?«, hatte er gesagt, noch nicht beleidigt, aber kurz davor. »Glaubst du, ich schenke den Kindern nicht meine volle Aufmerksamkeit?«
»Nein, es ist nur … Ich möchte, dass sie so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen.« Dana hatte Angst, dass Grady und Morgan ihren Vater vollkommen verlieren würden, so wie sie ihren verloren hatte. Vielleicht würde Kenneth von dieser neuen Person fortgespült, so wie ihr Vater fortgespült worden war.
»Ich ziehe nur nach Hartford um«, murmelte Kenneth. »Nicht auf den Mars.« Der Kellner kam, um zu fragen, ob sie ein Dessert haben wollten. Kenneth verneinte die Frage für sie beide.
Dana hatte sich durch die langen, verwirrenden Monate seit der Scheidung hindurchgewurstelt. Ihr fiel auf, dass sie häufig blinzelte, ein vergeblicher Versuch, sich auf dieses neue Leben als Alleinerziehende zu konzentrieren. Außerdem stellte sie fest, dass sich in ihren Ton allmählich eine gewisse Schärfe einschlich. Denk positiv , sagte sie sich und ließ auf dem Weg zum Zahnarzt den Motor ihres Minivans etwas lauter aufheulen als nötig.
Zu Dr. Sakimoto gingen sie jetzt schon neun Jahre, seit Morgans drittem Lebensjahr. Bei ihrem ersten Besuch in seiner Praxis hatte Morgan so große Angst gehabt, allein auf den riesigen Vinylstuhl zu klettern, dass Dana sich daraufgesetzt und das zitternde Mädchen auf den Schoß genommen hatte. Kaum hatte Marie, die Zahnhygienikerin, Morgans Zähne mit ihrem Instrument berührt, übergab sich das Mädchen auch schon.
»Ist ja gut, mein Spatz, ist ja gut«, hatte Dana Morgan beruhigt und dabei versucht, die Schweinerei zu beseitigen.
Dr. Sakimoto war mit einer Rolle Haushaltspapier in der Tür erschienen. »Gar kein Problem«, hatte er gesagt. Dana hatte, passend zu seiner kurzen, etwas rundlichen Gestalt, eine hohe, nasale Stimme erwartet, doch sie klang so tief und voll, als käme sie aus den Absätzen seiner Schuhe. »Passiert alle naselang, stimmt’s, Marie?« Die Angesprochene schien sich dessen nicht so sicher zu sein, jedenfalls verließ sie, die Hand auf der Nase, rasch den Raum.
Dana entschuldigte sich immer wieder, während sie Morgan säuberte und tröstete.
»Nur ein paar erbrochene Kekse«, beruhigte er sie und wischte an dem Stuhl hinunter. »Aufs Ganze gesehen ein unbedeutendes Problem, hab ich recht?«
»Ja«, hatte Dana geseufzt. »Das haben Sie.«
Jetzt war Morgan fast zwölf und wollte ihre Mutter in der Zahnarztpraxis nicht mehr in ihrer Nähe haben, sinnierte Dana, als sie selbst sich, ein Papierlätzchen um den Hals, auf genau diesem Stuhl zurücklehnte.
»Irgendeine Veränderung Ihres Gesundheitszustands?«, fragte Dr. Sakimoto, während er ihre Patientenakte studierte. Er erinnerte Dana an eine Vogeltränke: klein und gedrungen, aber mit einem fast sichtbaren Vorrat an guter Laune. »Neue Medikamente? Rasche Gewichtsab- oder -zunahme?«, fragte er.
»Letzteres ja«, antwortete sie.
Er sah sie flüchtig an – ihr Gesicht, bemerkte sie, nicht etwa ihren Körper, an dem er selbst hätte sehen können, ob sie dicker oder dünner geworden war. »Ja?«, sagte er. »Ab- oder Zunahme?«
»Beides. Ich habe sehr schnell fünfzehn Pfund verloren, ungefähr zehn aber schon wieder drauf.«
»Waren Sie krank?«, fragte er. »Ich hoffe, es war nicht irgendeine Modediät.«
»Die Scheidungsdiät«, scherzte sie trocken. »Nicht direkt eine Modeerscheinung – eher eine Epidemie.«
»Das tut mir wirklich leid«, sagte er freundlich. »Wie geht es Ihnen?«
»Ganz gut, glaube ich.« Es kam ihr so vor, als erwartete er noch etwas, deshalb fügte sie hinzu: »Ich benutze immer noch Zahnseide.«
»Gut«, sagte
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