Die Zufalle des Herzens
und sagte zu der groÃen blonden Frau: »Danke für Ihre Geduld. Was kann ich für Sie tun?«
»Hm«, sagte die Frau, ein winziger Laut, der den doppelten Zweck zu erfüllen schien, die kürzestmögliche Antwort zu geben und eine zusätzliche Sekunde herauszuschinden, um ihr Anliegen zu formulieren. »Ich bin hier, um Dr. Sakimoto zu sehen.« Sie hatte einen kaum wahrnehmbaren Akzent, den Dana jedoch nicht zuordnen konnte.
»Tja, wir schlieÃen gerade wegen des Feiertags. Möchten Sie einen Termin vereinbaren?«
Wieder ein kurzes, künstliches Lächeln. »Nein, ich möchte ihn jetzt sehen. Würden Sie ihn bitte holen?«
»Ãhm, okay. Wen darf ich denn ankündigen?«
Das schien die Frau leicht unverschämt zu finden. »Er wird es wissen, wenn er mich sieht«, sagte sie.
Dana behagte das nicht. Sie witterte einen Ãberraschungsangriff. Aber Tony würde schon wissen, wie er damit umzugehen hatte. Im Ãbrigen war unter der Hochnäsigkeit der Frau eine gewisse Unsicherheit zu spüren, als sie sich rasch mit dem Finger über die andere Augenbraue strich. Offenbar wollte sie etwas loswerden.
Dana ging Tony holen und traf ihn beim Durchsehen einer Patientenkarte mit Marie an. »Hier ist jemand, die Sie sehen möchte«, sagte sie. »Meint, Sie würden sie kennen. GroÃ, kurze blonde Haare, ganz leichter Akzent?«
Einen Moment lang sah Tony bestürzt aus. Dann reichte er Marie die Patientenkarte und holte tief Luft. »Machen Sie einen Vermerk, dass wir die Neunzehn im Auge behalten«, sagte er. »Bitte.«
Auf dem Weg den Gang entlang zum Wartezimmer blickten sie ihm nach. Er machte zwar die Tür hinter sich zu, doch das Schnappschloss rastete nicht richtig ein. Und als die Tür langsam wieder auffiel, kam er gerade von den Zehenspitzen herunter, und der Kopf der groÃgewachsenen Frau hob sich, während ihr langer Hals sich wieder zu seiner natürlichen Lage aufrichtete.
»Ist das �«, murmelte Dana.
»Ja«, sagte Marie und schrieb gleichzeitig etwas auf die Karte. »Vor zwei Monaten war sie schon mal hier. Sie haben sich auf einer Konferenz kennengelernt und sich gut verstanden. Zahngespräche«, sagte sie trocken. » So romantisch.«
Martine . Sie sprach schnell und streckte dabei die Hände aus, um die seinen zu halten. Dana konnte nichts hören, von ein paar betonten Satzfetzen abgesehen: »⦠möchte so gerne ⦠würde niemals ⦠der Gedanke an â¦Â« Tony nickte â zur Einwilligung?, fragte sich Dana. Oder will er sie bei Laune halten? Tony nickte wieder und hob die Hände der Frau an seine Lippen.
Danas Brustkorb fühlte sich seltsam eng an. Bemüht, das zu ignorieren, drehte sie sich zu Marie um. »Ich wünsche Ihnen ein schönes Thanksgiving! Irgendwelche Pläne?«
Marie gab Dana die Patientenkarte. »Ich feiere Thanksgiving nicht«, sagte sie und ging den Flur hinunter, um Instrumente zu sterilisieren.
Dana konnte nicht einfach im Flur stehen bleiben, ebenso wenig konnte sie aber zu ihrem Schreibtisch zurückkehren und die beiden in diesem Moment der Zweisamkeit stören. Sie wich in Tonys Büro aus, wo sie, an die Wand gelehnt, innehielt. Jetzt hat er zu Thanksgiving seine Freundin und seine Töchter da . Das ist schön . Sie war keiner von den Menschen, die anderen ihr Glück missgönnten, nicht einmal im Angesicht ihrer eigenen Entbehrungen. Und so hasste sie sich dafür, dass das Selbstmitleid, das ihr die Brust zuschnürte, nicht nachlassen wollte. Als Stimmen näher kamen, schlüpfte sie aus dem Büro hinaus, bevor sie erwischt werden konnte.
»Dana«, sagte Tony, der sie einholte, ehe sie die Sicherheit ihres Empfangstresens erreicht hatte. »Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.«
»Oh, natürlich!«, sagte sie, auf respektvoll-freundlich umschaltend. Tony stellte sie einander vor, worauf die beiden Frauen sich die Hand schüttelten und Martine ihr anscheinend typisches flüchtiges Lächeln aufblitzen lieÃ.
»Sie sind die Alleinerziehende«, sagte sie spontan, und Dana zuckte unwillkürlich zusammen. Offenbar hatte Tony Martine von ihr erzählt, sie auf ihre Familienverhältnisse und vielleicht auch ihre ernste finanzielle Lage hingewiesen. Dana konnte ihn nicht einmal ansehen.
Sie zwang sich wieder zu einem Lächeln und sagte: »Ja, das bin ich wohl.
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