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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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dass im Moment keine Gefahr drohte. Buntes Gefieder leuchtete zwischen den Blättern der Bäume, und sie sangen unbehelligt ihre Lieder. Dennoch lag eine verhaltene Drohung in dem scheinbaren Frieden, denn wir marschierten nicht zum ersten Mal hier entlang. Wir wussten, dass hinter jedem Ast Unheil lauern konnte. Für eine Jägerin war Warten weit schlimmer als Kämpfen, und ich legte die Finger auf meine Messer, als wir uns dem ersten Feld näherten. Die Verwüstung, die die Freak-Klauen dort angerichtet hatten, war schrecklich anzusehen, die vertrockneten braunen Pflanzen, die die ganze Stadt hätten ernähren sollen.
    Diesmal wird es klappen. Draufgänger weiß, was er tut.
    Wir erreichten das Feld, und er wies die Pflanzer an, von den Wagen herunterzusteigen und sich an die Arbeit zu machen. Tegan trug einen an einem Riemen befestigten Eimer über der Schulter. Ein älterer Mann folgte ihr mit mehreren Krügen voll Wasser hinaus auf das Feld, mit denen er die Samen bewässerte, nachdem Tegan sie in der Erde vergraben hatte.
    Ich beobachtete die beiden aufmerksam und versuchte, gleichzeitig auch die anderen Pflanzer im Auge zu behalten. An der Art, wie die meisten Wachen ihre Gewehre umklammert hielten, sah ich, wie viel Angst sie hatten.
    Schließlich kam Frank Wilson zu mir. Er sah aus wie zwanzig, aber da die Leute Oben viel langsamer alterten, mochte er vielleicht auch schon älter sein. Sein braunes Haar war zu lang, die Adlernase viel zu groß für das schmale Gesicht, aber wenigstens war er nicht so verängstigt wie der Rest der Truppe. Entweder war er mutiger als sie oder einfach nur dumm. Manche Jäger waren beides zugleich. Seide hatte mir einmal gesagt, nur ein Narr fürchte sich vor nichts. Ein guter Jäger musste wissen, wann es gefährlich wurde.
    » Ich kann nicht fassen, dass wir den ganzen Sommer hier draußen sein werden«, murmelte Frank.
    Pirscher warf ihm einen abschätzigen Blick zu. » Wir waren den ganzen Winter draußen.«
    Eigentlich hatten wir in einem kleinen Haus Unterschlupf gefunden, aber Frank schien so sehr auf unsere Fähigkeiten zu zählen, dass ich ihm die Illusion lieber lassen wollte. Bleich behielt unbeirrt die Baumlinie im Auge, wie Draufgänger es befohlen hatte, und schien die Unterhaltung nicht mitzubekommen. Allein sein Anblick erfüllte mich mit Entzücken, aber ich ließ mich nicht ablenken.
    » Davon habe ich gehört«, erwiderte Frank. » Seid ihr wirklich aus Gotham gekommen?«
    Wenn ich jedes Mal, wenn mir diese Frage gestellt wurde, ein neues Messer bekommen würde, hätte ich sie mittlerweile nicht einmal mehr tragen können. Ich überließ Pirscher das Antworten.
    » Sind wir«, sagte er.
    » Wie ist es dort? Stimmt das mit den pferdelosen Wagen und den fliegenden Kutschen?«
    Anscheinend war Frank doch jünger, als ich ursprünglich gedacht hatte.
    » Natürlich«, antwortete Pirscher. » Außerdem gibt es Brunnen, aus denen Apfelwein sprudelt, und Türme aus poliertem Silber.«
    Frank wurde rot. » Entschuldigung«, murmelte er.
    Er tat mir leid. » Es ist ein einziger Ruinenhaufen«, erklärte ich, aber er schien es Pirscher nicht übel zu nehmen. Wahrscheinlich wollte er sich lieber uns anschließen als den anderen, die alle mindestens zehn Jahre älter waren. Die meisten von ihnen hatten Familien. Sie standen in kleinen Grüppchen zusammen und beklagten sich über ihr bitteres Los. Doch Frank war anders. Vielleicht passte er tatsächlich besser zu uns als zu seinen Mitbürgern. Außerdem hatte ich versprochen, ihm ein paar Techniken zu zeigen. Hoffentlich war später ein bisschen Zeit dazu.
    » Wer hätte gedacht, dass die Stummies auf die Idee kommen, unsere Äcker zu zerstören?«, sprach er weiter, offensichtlich fest entschlossen, sich mit uns zu unterhalten.
    Er erinnerte mich an Zwirn, den in der Enklave niemand gemocht hatte. Er war klein und schmächtig gewesen und Seides rechte Hand. Leider hatte er im Gegensatz zu ihr keinerlei natürliche Autorität, aber am Ende hatte er sich als unser größter Verbündeter herausgestellt. Dasselbe könnte für Frank gelten, und ich wollte ihn lieber nicht vor den Kopf stoßen. Wir könnten eines Tages auf ihn angewiesen sein.
    » Sie haben sich verändert«, sagte ich nachdenklich. » Könnte sein, dass es zwei verschiedene Arten gibt: die Dummen und die anderen, die uns aufgelauert haben.«
    Das war natürlich nur eine Vermutung. Bleichs Vorschlag, welche zu fangen und ihr Verhalten zu studieren, fiel mir

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