Die Zuflucht
paar Wachen auf der Einfriedung und Männer, die ebenfalls auf dem Weg zu den Baracken waren. Ein paar von ihnen grüßte ich mit einem knappen Nicken. Als wir ankamen, hatte sich erst die Hälfte des Teams versammelt, und ich seufzte erleichtert. Wir hatten es tatsächlich geschafft, Draufgänger nicht schon am ersten Tag zu enttäuschen, auch wenn er bestimmt nicht so penibel war wie Seide– und vor allem nicht so selbstgefällig.
Pirscher tauchte ein paar Minuten später auf, und zu meiner Überraschung winkte Bleich ihm zu. Der blonde Junge blieb verdutzt stehen und zog die Augenbrauen hoch. Er blickte kurz zu den anderen Wachen hinüber, dann kam er zu uns. Wenn er Bleich und mich der Gesellschaft der anderen Männer vorzog, hielt er offensichtlich überhaupt nichts von ihnen.
Ich konnte mir ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen, denn in dieser Hinsicht war ich der gleichen Meinung wie Pirscher. Ein echter Jäger hätte sich freiwillig gemeldet, statt sich vom Vorsteher verdonnern zu lassen. Dennoch hoffte ich, sie würden überleben.
Bleich warf uns einen tadelnden Blick zu, aber ich bezweifelte, dass die anderen Wachen etwas mitbekommen hatten. » Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten«, sagte er streng.
» Für ein paar von ihnen gibt es Hoffnung«, flüsterte ich. » Bälger sind lernfähig.«
Die beiden Jungs schauten noch einmal hinüber zu den anderen, und Pirscher lachte. » Ziemlich alte Bälger.«
Wenige Minuten später waren alle versammelt. Die meisten sahen niedergeschlagen und ängstlich aus. Draufgänger erklärte in knappen Worten, was er vorhatte und was er von uns erwartete. Es klang alles logisch und gut durchdacht. Nach der ersten Woche sollten immer zwei Wachen für einen Tag in die Stadt zurückkehren dürfen. Um die Moral hochzuhalten, wie er sagte.
» Uns stehen harte Zeiten bevor«, erklärte er, » aber entweder, wir ziehen das durch, oder wir verhungern. Das ist die nüchterne Wahrheit. Die Stummies haben rausgefunden, wo unser wunder Punkt liegt. Der letzte Krieg ist schon eine Weile her, aber es sieht ganz so aus, als ob wir bald einen neuen haben werden.«
Verunsichertes Gemurmel erhob sich unter den Wachen. Dann stellten wir uns in Zweierreihen auf und marschierten im Licht der aufgehenden Sonne los. Wahrscheinlich war es nur ein ganz normaler Sonnenaufgang, aber das Schauspiel am Himmel schien mir ein gutes Omen, wie ein Versprechen, dass unser Unternehmen gelingen könnte und die Verluste sich in Grenzen halten würden.
Siebzehn Pflanzer hatten sich am Tor versammelt. Neben ihnen standen ganze Wagen voll Samen. Diesmal waren sie richtiggehend verängstigt, schienen den Gedanken kaum ertragen zu können, wieder hinaus auf die Felder zu müssen. Wenn noch einmal etwas schiefging, hätten wir nicht mehr genug Saatgut, um einen dritten Anlauf zu unternehmen. Ich versuchte, erst gar nicht an diese Möglichkeit zu denken, als ich sah, wie eine der Pflanzerinnen mir zuwinkte. Es war Tegan. Sie hatte das Haar zu Zöpfen geflochten und trug ein Tuch auf dem Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen.
Ich lief zu ihr. » Was sagt Doc dazu, dass du dich freiwillig gemeldet hast?«
» Es brauchte ein bisschen Überzeugungsarbeit nach allem, was schon passiert ist. Aber es gab nicht genug Helfer, und mit Pflanzen kenne ich mich aus.«
» Ich werde auf dich aufpassen«, versprach ich.
» Ich weiß… sonst wäre ich nicht hier.«
Draufgänger rief die Wachen zusammen, und ich reihte mich wieder in die Formation ein. Keine Fanfare ertönte, als die Tore sich öffneten. Nicht einer war gekommen, um uns Glück zu wünschen für die gefährliche Aufgabe, die vor uns lag. Egal. Es hätte den Abschied nur umso schwerer gemacht für alle, die– milde ausgedrückt– nicht ganz freiwillig dabei waren.
» Bleibt dicht bei den Wagen«, wies Draufgänger uns an. » Ich will Wachen auf jeder Seite, und behaltet die Bäume im Auge.«
» Ja, Sir«, murmelte ich zusammen mit neunzehn anderen.
Ich saugte die frische Morgenluft ein und schnupperte nach verdächtigen Gerüchen, roch aber nur den Duft des grünen Grases unter meinen Stiefeln, vermischt mit Tierausdünstungen und der Süße wilder Blumen, die am Wegesrand sprossen. An all das hatte ich mich immer noch nicht gewöhnt, und ich bestaunte die reichhaltige Schönheit dieser für mich so neuen Welt. Es war mir ein Rätsel, wie die anderen sie als so selbstverständlich hinnehmen konnten.
Als ich die Vögel hörte, wusste ich,
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