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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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musste. Bleich und ich waren dabei, Pirscher und Frank nicht. Die anderen acht waren alle älter als wir, ich kannte ihre Namen nur vom Hörensagen. Sie schienen nicht besonders glücklich über ihr Los, wahrscheinlich weil sie sich noch allzu lebhaft daran erinnerten, in welchen Massen die Freaks dort über uns hergefallen waren.
    Bis zu einem gewissen Grad teilte ich ihre Sorge. Dass so wenige die Verantwortung für das Wohl so vieler trugen, war eine schwere Last. Aber die meisten Einwohner von Erlösung waren einfach nicht für diese Aufgabe geeignet. Hilflose Frauen und Bälger den Freaks zum Fraß vorzuwerfen kam nicht infrage. Entweder wir machten diese Arbeit oder niemand.
    Ein klein gewachsener, kräftig gebauter Mann reihte sich auf dem Weg in den Wald neben mir ein. Seine Schultern schienen breiter zu sein, als er groß war. Sein Haar schimmerte grau wie Eisen, also war er mindestens so alt wie Draufgänger, aber das Gesicht hatte er glatt rasiert. Ich fragte mich, wie lange die Rasur hier draußen wohl halten würde.
    » Hobbs«, sagte er, und wir gaben einander die Hand, wie es unter den Stadtbewohnern üblich war. » Jeremiah. Aber die meisten nennen mich einfach Hobbs.«
    » Zwei.«
    Ich hatte keinen Nachnamen. Unten hatte niemand einen. Wir waren nicht genug, als dass wir einen gebraucht hätten. Von frühesten Balgtagen an hatte der Worthüter uns eingeschärft, unser Name habe ganz besondere Bedeutung. Wir wurden nach dem Gegenstand benannt, auf den der erste Blutstropfen aus den Schnitten auf unseren Armen fiel, und dieser Gegenstand war heilig. Behauptete zumindest der Worthüter. Aber wahrscheinlich war das auch alles nur Unsinn, den er sich ausgedacht hatte. Trotzdem hütete ich die kleine Karte wie meinen Augapfel. Als ich das blutverschmierte Stück Papier Edmund zeigte, sagte er, es sei eine Pik-Zwei, eine Spielkarte. Sie sei jetzt ein Teil von mir, hatte der Worthüter gesagt. Sollte ich sie verlieren, würde mir etwas Schreckliches zustoßen.
    » Ich weiß, wer du bist«, erwiderte Hobbs. » Alle wissen es.«
    » Tatsächlich?« Ich wusste nicht, was ich mit dem Kommentar anfangen sollte.
    Er lächelte gutmütig. » Manche mögen über dich lästern, aber ich gehöre nicht dazu. In Erlösung könnten wir mehr von deiner Sorte gebrauchen.«
    » Danke.« Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.
    Ich war es nicht gewohnt, dass Ältere freundlich zu mir waren, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Meine bisherige Erfahrung sagte mir, dass er jeden Moment irgendetwas von mir wollen würde, aber er ging einfach schweigend neben mir her und musterte die Baumlinie, die mit jedem Schritt näher kam. Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf. Es gefiel mir nicht, dass im Moment so gut wie keine Wachen mehr in Erlösung waren, aber an der Notwendigkeit, diesen Wachturm zu errichten, führte kein Weg vorbei. Sobald er fertig war, würde die Lage schon viel besser aussehen.
    Vorausgesetzt, wir überlebten lange genug.
    Wir sollten einen jungen Baum fällen, der klein genug war, um ihn zu zweit zurück zum Lager tragen zu können. Die anderen Wachen hatten Seile geschickt zu einer Art Trageschlinge verknotet, die uns dabei helfen würde. Ich hätte es nicht gekonnt. Was ihnen an Kampfkraft mangelte, machten sie mit anderen Fähigkeiten wieder wett.
    » Könntest du nachher das Festhalten übernehmen?«, fragte Hobbs. Anscheinend schaute ich ihn völlig entgeistert an, denn er erklärte weiter: » Einer muss den Baum festhalten, während der andere ihn umsägt.«
    » Ach ja, klar.«
    Ich warf einen Blick hinüber zu Bleich und hoffte, dass sein Rücken ihm nicht allzu große Probleme bereitete. Ich hatte etwas Salbe mitgenommen, damit ich später die Narben damit einschmieren konnte, aber ich musste vorsichtig sein, wie viel Aufmerksamkeit ich ihm widmete. Der vorübergehende Frieden, den Draufgänger mit seiner Standpauke erreicht hatte, würde nicht lange halten, wenn Bleich und ich uns benahmen wie liebestrunkene Grünschnäbel.
    Als wir den Wald erreichten, versperrte dorniges Gestrüpp den Weg. Unter leisem Fluchen hackten die Männer einen Weg frei, und ich folgte ihnen ins Dickicht. Wenn uns die Freaks hier angriffen, würde ich sie natürlich verteidigen, aber es hatte keinen Sinn, wenn ich vorausging, denn sie waren viel besser und vor allem schneller darin, das Buschwerk zu lichten. Ich war ein paar Mal mit Pirscher in den Wäldern auf Erkundung gewesen, die zwischen den Ruinen und Erlösung

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