Die Zuflucht
missmutige Fremde sich darüber beklagten, die Nacht im Freien verbringen zu müssen, obwohl wir die Stummies längst vertrieben hatten.
Ich war mir da nicht so sicher.
Sie waren verschlagen und stark, und sie waren viele. Eine ernst zu nehmende Gefahr. Glücklicherweise hatten Bleich und ich schon gefährlichere Situationen überstanden. Außerdem gab es diesmal noch andere, die an unserer Seite kämpften, und Erlösung war nicht weit, falls wir die Stellung nicht halten konnten.
All das ging mir durch den Kopf, während wir das Abendessen zubereiteten. Bleich füllte den Topf zur Hälfte mit Wasser aus den Kanistern, die wir aus der Stadt mitgenommen hatten, ich schnitt das Gemüse und das getrocknete Fleisch. Draufgänger steuerte einen kleinen Beutel mit Gewürzen bei, die ich genau inspizierte, bevor ich mir sicher war, welche zu der Suppe passten.
» Deshalb ist sie also dabei«, flüsterte einer der Männer und stieß seinen Nachbarn mit dem Ellbogen an. » Na, wenigstens kann sie kochen.«
» Bestimmt taugt sie auch noch zu anderen Dingen«, rief ein anderer mit anzüglichem Unterton.
Bleich wirbelte herum und presste dem Kerl sein Messer an den Hals. » Noch ein Wort in dieser Richtung, und wir haben einen Toten, noch bevor der erste Freak hier auftaucht.«
» Ganz ruhig, Junge.« Draufgänger legte Bleich eine Hand auf die Schulter, der ein paar Mal tief durchatmete und das Messer schließlich sinken ließ. » Ich kümmere mich darum. Ich weiß, sie ist dein Mädchen, aber das hier sind meine Männer.«
Der Kerl, der Bleichs Messer an der Kehle gehabt hatte, war wütend und verängstigt zugleich. Draufgänger packte ihn am Arm und zog ihn ein Stück mit sich. Ich konnte nicht hören, was er zu ihm sagte, aber als er zurückkam– sein Name war Gary, glaube ich–, konnte er mir nicht einmal in die Augen sehen, als er sich bei mir entschuldigte.
Ich zuckte nur die Achseln. Unten hatte es auch Jäger gegeben, die gerne Züchterwitze rissen. Wenn ich sie mir zu Herzen genommen hätte, hätte ich ihre Vorurteile nur bestätigt. Außerdem hatte ich keine Angst vor diesen Männern. Sie mochten stärker sein als ich, dafür waren sie langsamer und weniger gerissen.
» Die Kleine hier kann so gut kämpfen wie jeder von euch«, brummte Draufgänger. » Besser als die meisten sogar, und ich will nichts mehr von diesem Mist hören. Das gilt für alle von euch. Ist das klar?«
Alle nickten stumm, und wir löffelten schweigend unsere Suppe. Nach und nach vergaßen die Männer den Zwischenfall und entspannten sich etwas, während sie in ihre Schlafrollen krochen und den Anblick der funkelnden Sterne am Nachthimmel genossen. Die warme Suppe in ihren Bäuchen schien die Situation ein wenig erträglicher zu machen.
Nachdem wir alles aufgeräumt hatten, legte ich mich neben Bleich und nahm seine Hand. » Du kannst nicht einfach jedem dein Messer unter die Nase halten, der etwas Gemeines zu mir sagt.«
» Warum nicht?«
» Weil sie mich dann als deinen wunden Punkt sehen und versuchen werden, das auszunutzen. Es ist mir egal, was sie von mir denken. Nur bei dir ist es mir das nicht.«
» Ich wünschte, ich könnte dich küssen«, flüsterte er mir ins Ohr.
» Heb es dir für später auf. Sobald wir Zeit dafür haben, nehm ich sie alle auf einmal.«
Bleich streichelte mein Haar, und kurz darauf kamen Pirscher und Frank zu uns. Wir sprachen darüber, was der Sommer bringen würde und wie anstrengend das Holzfällen wohl war, das uns am morgigen Tag erwartete. Schließlich krochen wir unter unsere Decken.
In dieser Nacht plagten mich zur Abwechslung einmal keine Albträume. Dafür wurden sie schon allzu bald Realität.
EINDRINGLING
Die Nacht über wechselten sich alle in Schichten ab, aber es waren genug andere Wachen da, sodass ich erst am nächsten Tag dran war. Das Frühstück bestand aus den Resten der Suppe und trockenem Brot. Auf dem Weg nach Erlösung hatten Bleich und ich mehr oder weniger zufällig entdeckt, dass eine Suppe immer dicker und gehaltvoller wurde, je länger sie über dem Feuer kochte, und außerdem verdarb sie dann nicht mehr so schnell.
Was wir auf dem harten Marsch hierher gelernt hatten, kam uns jetzt zugute. Mit hoch erhobenem Kinn verteilte ich das Essen, um von vornherein alle weiteren Kommentare über mein Geschlecht oder den Grund auszuschließen, weshalb ich an der Patrouille teilnahm. Danach loste Draufgänger aus, wer in den Wald gehen und das Holz für den Wachturm fällen
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