Die Zuflucht
ernst gemeint gewesen sein.«
» Wenn Oma Oaks es sagt, dann schon. Und für Edmund gilt das Gleiche.«
Er nickte. » Ich hatte nicht den Eindruck, aber wenn du es sagst. Du kennst sie besser.«
Wir hörten Laub rascheln und Äste knacken. Das Geräusch schien immer auf gleicher Höhe mit uns zu bleiben. » Hörst du das?«, fragte ich.
» Jemand folgt uns.«
Wir wussten beide, wer. Die Frage war nur, wie viele und ob sie zuschlagen würden, bevor wir in Sicherheit waren. Die Freaks, die wir in dem Dorf gesehen hatten, hatten zwar nicht besonders gefährlich gewirkt, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie uns nicht angreifen würden. Vielleicht sahen sie es als Gelegenheit, leichte Beute zu machen, und wenn sie es taten, bedeutete das, dass sie uns genau beobachteten und ihre Überfälle anhand unseres Verhaltens vorausplanten. Ein entsetzlicher Gedanke. Sie waren gefährlich genug gewesen, als sie noch hirnlose Monster waren.
Bleich spurtete los, und ich hielt mit. Er hatte viel längere Beine, aber ich war klein und flink. Unten hatte ich kaum je Gelegenheit gehabt, so schnell zu rennen.
Nach kurzer Zeit fielen die Geräusche zurück. Wer oder was auch immer uns da verfolgt hatte, hatte offensichtlich beschlossen, die Deckung des Waldes nicht zu verlassen. Stattdessen spürte ich jetzt nur noch ihre hungrigen Blicke in meinem Rücken. Ich konnte ihre Gedanken förmlich hören: Noch nicht, aber beim nächsten Mal .
» Macht auf!«, rief Bleich nach oben, als wir das Tor erreichten. » Im Moment ist die Luft rein.«
Der Wachposten inspizierte die Umgebung genau, bevor er uns hereinließ. Wir quetschten uns durch den schmalen Spalt, und als das Tor mit einem Krachen zufiel, verriegelten sie es sofort wieder mit einem dicken Verstärkungsbalken. Seit dem letzten Überfall schienen die Wachen ihn jedes Mal vorzulegen. Ich konnte es ihnen nicht verdenken.
Der Anblick des sauber geschnittenen Grases, der gepflegten Gärten und Blumenbeete erweckte den Eindruck, als könnte sich an diesem Ort nie etwas Schreckliches ereignen. Die Häuser leuchteten in frischem Weiß, alles war in bester Ordnung und unter Kontrolle. Selbst die Bürger von Erlösung sahen gepflegter und gesünder aus als zuvor. Die langen hübschen Kleider der Mädchen waren blitzsauber, und die Männer lupften höflich die Hüte, wenn sie auf der Straße einer Dame begegneten.
Es kam mir vor, als wäre ich seit einer Ewigkeit nicht mehr hier gewesen, als hätte die Zwei, die bei den Oaks lebte, nichts mit der Jägerin aus College zu tun, als würde mir jedes Mal, wenn ich in den Spiegel blickte, eine andere entgegenschauen. Und ich fühlte mich erwachsener. Auf jeden Fall erwachsen genug, um nicht zu Mrs. James’ Unterricht zu gehen, auch wenn ich wahrscheinlich immer noch nicht die Zwei war, die ich eines Tages sein würde. Vielleicht war es das, worum es im Leben letztlich ging: Wenn man es richtig machte, bedeutete Leben ständiges Lernen, ständige Veränderung. Wer es falsch machte, starb oder hörte zumindest auf zu wachsen, was mehr oder weniger auf dasselbe hinauslief. Also würde ich wohl noch in viele Rollen schlüpfen müssen, bis ich die gefunden hatte, die am besten zu mir passte.
Und während ich die Szene so betrachtete, fiel mir auf, dass sich noch etwas in der Stadt verändert hatte. Vor vielen Häusern standen Tische mit frischen Blumen darauf. Die Blüten waren weiß und wunderschön wie die, die ich auf dem Weg zu den Feldern gesehen hatte. Die Geschäfte neben der Dorfwiese waren mit Girlanden verziert, und ein paar Leute spielten auf ihren Instrumenten eine fröhliche Melodie. Sie lachten mit einer Unbeschwertheit, die nur jene kannten, die sich keine Sorgen über gefräßige Ungeheuer zu machen brauchten.
Ich warf Bleich einen fragenden Blick zu, aber er zuckte nur die Achseln. Er hatte auch keine Ahnung, was vor sich ging.
» Gibt es eine Feier?«, fragte ich eine der Wachen, als mir Justines Geburtstag wieder einfiel.
» So was in der Art. Wir begehen das Kirschblütenfest. So feiern wir hier jedes Jahr den Frühlingsbeginn.«
» Was bedeutet das?«
Der Mann kratzte sich am Kopf. » Nun, heute Abend tanzen wir auf der Dorfwiese. Es gibt Essen und Getränke für alle. Wir zeigen, wie dankbar wir sind, die Kälte fürs Erste überstanden zu haben.«
» Klingt gut«, meinte Bleich. » Danke.«
» Was ist tanzen?«, fragte ich Bleich, nachdem der Wachsoldat außer Hörweite war.
Statt etwas zu sagen, nahm er
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