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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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in der Mittagssonne ihr mitgebrachtes Essen zu verspeisen, als Mrs. James mich zu sich rief. » Zwei, ich würde gern mit dir sprechen.«
    Ich ignorierte die Blicke meiner Mitschüler und das Getuschel und ging nach vorn. » Ja, Sir.«
    » Es heißt Ma’am. Nur Männer nennt man Sir.«
    Unten hatte es keine Unterschiede in der Anrede gegeben. Ich fragte mich, ob das nun bedeutete, dass wir in der Enklave unverkrampfter gewesen waren, oder ob es daran gelegen hatte, dass wir nicht so viel Aufmerksamkeit auf Details verwendeten.
    Mrs. James konnte Aufsässigkeit nicht leiden, also hielt ich den Mund und machte mich bereit für eine Standpauke.
    » Warum setzt du dich nicht?«
    Ich hatte Hunger und wollte meine Pause nicht damit verbringen, hier herumzusitzen. Aber das war wohl die Strafe für meine Unaufmerksamkeit von vorhin. » Gut, Ma’am.«
    Ich tat ihr den Gefallen und setzte mich auf den Stuhl, der eigens neben ihrem Pult für widerspenstige Schüler wie mich bereitstand. Ich nahm weit öfter dort Platz, als mir lieb war, und das nicht wegen Aufsässigkeit, sondern wegen meines offensichtlichen Desinteresses. Mrs. James wusste, dass ich schon die Tage zählte, bis ich endlich austreten konnte.
    » Du bist ein kluges Mädchen, und deine Zukunft könnte so toll aussehen«, erklärte sie. » Ich weiß, du hältst die Schule für Zeitverschwendung, und es tut mir im Herzen weh, wenn ich sehe, dass du nicht einmal versuchst, dich zu bessern.«
    Ich verzog das Gesicht. » Wissen Sie, wie man einen Freak mit bloßen Händen tötet? Können Sie ein Kaninchen häuten und kochen? Wissen Sie, welche Pflanzen man essen kann und welche nicht? Würden Sie es von den Tunneln, in denen ich geboren wurde, auf eigene Faust bis hierher nach Norden schaffen?« Ich kannte die Antwort bereits und schüttelte den Kopf. » In meiner Welt, verehrte Dame, kann ich bereits alles, was man können muss. Und Ihr Ton gefällt mir nicht.«
    Ich wusste, sie würde mich dafür bezahlen lassen. Trotzdem stand ich auf, verließ das Klassenzimmer und ging hinaus in die Sonne. Sie fühlte sich immer noch eigenartig heiß an auf meiner Haut, aber mittlerweile genoss ich das Gefühl. Der Himmel war blau, hohe Wolken hoben sich hell davon ab– kein Regen also. Es hatte eine Weile gedauert, bis ich die Wetteranzeichen deuten konnte: wann die Sonne zu heiß brennen und wann Wasser von oben herabfallen würde.
    Ich beschattete meine Augen und sah Bleich mit Tegan. Sie hatten sich mit ein paar Mädchen von hier angefreundet. Bestimmt waren die Mädchen nett, dachte ich mir. Ich war Doc Tuttle dankbar, weil er Tegan gerettet hatte, aber verloren hatte ich sie dennoch. Alles hatte sich verändert, und wir lebten bei verschiedenen Pflegefamilien.
    Doch Tegan war nicht der erste Verlust in meinem Leben. Vor ihr hatte ich Stein und Fingerhut verloren, und ich vermisste sie. Eine Freundschaft aus Balgzeiten vergaß man nicht, egal wie viel Zeit verging. In der Enklave hatte ich alle Regeln gekannt, aber in Erlösung galt keine einzige davon. Über alles, was ich bisher für richtig gehalten hatte, hieß es nun: » Denk nicht mal dran.« Tag für Tag bekam ich gesagt, was ich alles falsch machte, und im Endeffekt bedeutete das: Wenn ich ein normales Mädchen werden wollte, musste ich aufhören, ich selbst zu sein.
    Ich beobachtete Tegan und Bleich eine Weile und dachte kurz darüber nach, zu ihnen zu gehen. Doch Bleich würdigte mich keines Blickes, und als Tegan mir zuwinkte, wirkte die Geste nicht besonders einladend. Schweren Herzens ging ich hinüber zu Pirscher. Er hockte allein auf dem Boden und aß. Mit einem Seufzer setzte ich mich neben ihn.
    Ein Mädchen sollte sich nicht so einfach ins Gras setzen. Oma Oaks beschwerte sich ständig über die Flecken auf meinem Kleid, aber das war mir egal. Ich hasste diese weibische Kleidung. Ich wollte meine alten Sachen zurück, in denen ich mich viel besser bewegen und meine Messer immer bei mir tragen konnte. Ich verstand nicht, warum in Erlösung nur die Männer kämpften. Frauen waren genauso stark und entschlossen, wenn es darum ging, ihr Zuhause zu verteidigen. Es war eine so unglaubliche Verschwendung. Unten, wo ich aufgewachsen war, konnten wir uns so etwas nicht leisten. Wir verwendeten alles, und das so lange, bis es nicht mehr zu gebrauchen war. Die Regeln Oben waren mir ein Rätsel.
    Ich warf einen Blick auf Pirschers Essen. Der Schmied hatte keine Frau, und das bedeutete, dass Pirscher immer nur ganz

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