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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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und wusch mir die Hände. » Kannst du laufen?«
    Pirscher versuchte ein paar Schritte. Er konnte sich zwar nicht besonders schnell bewegen, aber es ging. » Vielleicht wäre es gut, wenn du mir einen Ast als Stütze besorgen könntest.«
    Ich war nicht scharf darauf, allein in den Wald zurückzukehren, aber ich umging den Kampfplatz und hatte bald am Fuß eines Baums einen geeigneten Ast gefunden. Er war nicht besonders gerade, aber lang und dick genug für Pirschers Zwecke. Ich gestand es mir zwar nur ungern ein, aber Pirscher war die einzige Sicherheit, die mir noch geblieben war. Statt zu gehen, rannte ich zu ihm zurück. Unglaublich, dass es so weit gekommen war. Doch ich war nun einmal nicht gerne allein. Aus den Tunneln war ich den ständigen Widerhall von Stimmen gewohnt. Die Stille hier konnte mich um den Verstand bringen.
    Â» Wird es mit dem gehen?«
    Â» Bestens, danke. Es ist Zeit, dass ich die Spur wiederfinde.«
    Das war es in der Tat. Falls er es nicht schaffte, war alles umsonst, und das durfte nicht passieren. Ein alles erdrückender Schmerz schnürte mir die Kehle zu. Nein. Ich würde Bleich finden. Ich musste.
    Pirscher ignorierte mein angespanntes Schweigen und ging zurück zum Waldrand.
    Ich konnte sehen, dass er bei jedem Schritt Schmerzen hatte, und fragte mich, wie weit er es wohl schaffen würde, sagte aber nichts.
    Eine Weile stand er still da und spähte zwischen die Bäume. Schließlich schlug er sich mit der Faust in die Hand. » Nichts. Es ist zu viel Wild in diesem Wald. Ich sehe sechs Fährten; jeder davon könnten wir folgen und am Ende doch nur vor einer Herde Hirsche stehen.«
    Â» Was haben wir sonst noch für Möglichkeiten?«
    Er überlegte einen Moment. » Gehen wir am See entlang. Wenn sie genauso schnell marschiert sind wie wir, werden sie Durst haben. Irgendwann müssen sie trinken.«
    Ich hatte nie einen dabei beobachtet, aber als lebendige Wesen, die sich auf natürliche Weise fortpflanzten– und darauf deuteten die Freak-Bälger hin, die ich gesehen hatte–, würden sie Wasser brauchen, um zu überleben.
    Â» Außerdem ist der Boden dort weich genug, dass du die Spuren leichter lesen kannst, oder?«, fragte ich.
    Â» Hoffe ich zumindest.« Was wir tun sollten, falls nicht, sprachen wir gar nicht erst an.
    Wir waren schon ein ganzes Stück um den See herumgegangen, als wir die Fährte endlich wiederfanden. Selbst ich sah die Stelle, an der sie ihre Last abgelegt hatten: Die eine war in etwa so groß wie ein Mensch, daneben befand sich ein kleinerer Abdruck, und darum herum waren drei Paar Fußspuren, die zum Wasser führten. Ich betrachtete die Vertiefungen in der dunklen Erde. Sie waren breiter als ein Menschenfuß, und am vorderen Ende, wo sich die Zehen befanden, zeichneten sich Klauen ab.
    Wir folgten der Spur, und nach einer Weile sagte Pirscher: » Sie haben den See umrundet und sind dann weiter in die Ebene dort.«
    Weg vom Dorf? Das war einigermaßen überraschend.
    Trotzdem änderte es nichts: Wir würden sie verfolgen, bis ich Bleich gefunden hatte oder wir die Fährte verloren. Eine andere Möglichkeit kam nicht in Betracht. Bleich hatte sich für mich auspeitschen lassen, weil er mich liebte. Selbst dann, als er glaubte, ich hätte mich für einen anderen entschieden. Wir gingen weiter, und ich fragte mich, wie Pirscher die Schmerzen ertragen konnte. Wahrscheinlich war er aus demselben Holz geschnitzt wie ich, wahrscheinlich hörte auch er diese Stimme, die ihm sagte: Du kannst nicht aufgeben, du bist ein Wolf . Genau wie ich mir damit Mut machte, dass ich einmal eine Jägerin gewesen war.
    Das Tageslicht verlor sich, ging allmählich in ein undurchdringliches Schwarz über, das schließlich von ein paar Sternen erhellt wurde. Früher hatte ich geglaubt, die kleinen Lichtpunkte wären Fackeln von geflügelten Wesen, die in einer Stadt am Himmel wohnten, aber Mrs. James hatte meinen Irrtum aufgeklärt. Manchmal zerstörte die Wahrheit alle Magie.
    Gerade als ich dachte, wir würden die Verfolgung bald aufgeben müssen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Wir brauchten die Fährte nicht mehr. Ich wusste auch so, wo sie ihn hingebracht hatten.
    Die Freak-Kolonie stellte alles in den Schatten, was ich je gesehen oder mir auch nur vorgestellt hatte. Es waren so viele, dass sie nicht nur Erlösung, sondern auch

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